Kosovo-Sondertribunal in Den Haag: Milošević-Ankläger ist nun Verteidiger eines UÇK-Kommandeurs

Zwei ehemalige Kommandeure der sogenannten "Kosovo-Befreiungsarmee" (UÇK) sind vom Kosovo-Sondertribunal in Den Haag vorgeladen worden. Ob der Ex-UÇK-Anführer Hashim Thaçi vor Gericht kommt, bleibt abzuwarten. Derweil sorgt ein Anwalt für Diskussionen.

Rustem Mustafa, genannt "Remi", und Sami Lushtaku sind nach Den Haag gereist, um vor dem Kosovo-Sondertribunal auszusagen. Bisher ist unklar, ob sie als Zeugen oder Verdächtige geladen wurden. Die beiden waren wichtige Kommandeure der sogenannten "Kosovo-Befreiungsarmee" (UÇK) während des Krieges 1998-1999 in der damaligen jugoslawischen Provinz. Nach dem Krieg nahmen sie aktiv am politischen Leben im Kosovo teil und waren Mitglieder der Demokratischen Partei des Kosovo, dessen Vorsitzender bis vor kurzem der aktuelle Präsident des Kosovo Hashim Thaçi war.

Mustafa hatte die UÇK in der kosovarischen Region Podujevo kommandiert, Lushtaku war damals Mitglied der sogenannten Drenica-Zelle dieser paramilitärischen Organisation, die vom damaligen Jugoslawien als Miliz mit separatistischen Bestrebungen eingestuft wurde. Die USA hatten die UÇK, die erst 1996 in Erscheinung getreten war, zunächst auf die Liste internationaler terroristischer Organisationen gesetzt, um später im benachbarten Albanien Trainingslager für die UÇK-Kämpfer zu organisieren und sie aufzurüsten.

Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Handel mit Organen

Das Kosovo-Sondergericht mit Sitz in Den Haag wurde Anfang 2017 eingerichtet und soll mutmaßliche Verbrechen der UÇK während und nach dem Krieg 1999 aufklären. Die Vorwürfe wiegen schwer: Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen, Vertreibungen, Erschießung, Folter, sexualisierte Gewalt oder Handel mit Organen. Opfer waren überwiegend Serben, aber auch Roma und kosovo-albanische Bürger, die bei der UÇK in Verdacht standen, mit den jugoslawischen Behörden oder Sicherheitskräften zu "kollaborieren" und somit nicht loyal zu sein. 

Die Vorwürfe stützen sich auf einen Bericht des Schweizers Dick Marty aus dem Jahr 2010. Darin schrieb er, Hashim Thaçi und weitere UÇK-Anführer seien am Handel mit Organen serbischer Gefangener nach dem Kosovokrieg, an Auftragsmorden und anderen Verbrechen beteiligt gewesen. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats nahm Martys Bericht im Januar 2011 an. Die Abgeordneten verlangten in einer Resolution eine seriöse Untersuchung der Vorfälle.

Vom Milošević-Ankläger zum Verteidiger der Ex-UÇK-Kämpfer

Nach kosovarischen Medienberichten sollen noch sechs weitere Ex-UÇK-Kämpfer Vorladungen vom Sondergericht erhalten haben, unter ihnen auch eine Frau. In den Medien kommen vermehrt Berichte darüber auf, dass auch der aktuelle kosovarische Präsident Thaçi bald den Flieger Richtung Den Haag besteigen könnte. Sein Anwalt könnte derselbe sein, der auch den nun vorgeladenen Lushtaku vertritt – Geoffrey Nice.

Der Mann, der beim Prozess gegen den früheren jugoslawischen Präsidenten Slobodan Milošević als Ankläger auftrat, soll nun einige ehemalige UÇK-Kämpfer vor dem Haager Tribunal verteidigen. In Serbien sorgt dies für heftige Diskussionen. Der renommierte serbische Anwalt Branislav Tapušković, der zur gleichen Zeit wie der Brite an den Prozessen beim UN-Tribunal tätig war, erhob schwere Vorwürfe gegen ihn.

Als Ankläger des Haager Tribunals beteiligte sich Geoffrey Nice an der Vernichtung von Beweisen im Zusammenhang mit dem Handel mit Organen im Falle des sogenannten 'Gelben Hauses'", sagte Tapušković gegenüber der serbischen Tageszeitung Večernje novosti

Das Ziel sei es gewesen, alle Spuren dieses Verbrechens an den Serben zu beseitigen. Auch die ehemalige Chefanklägerin des UN-Strafgerichtshofs Carla Del Ponte behauptete, große Mengen dieser Beweise seien vernichtet worden.

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