Das britische Parlament lehnte den nach zähen Verhandlungen zwischen London und der Europäischen Union zustande gekommenen Entwurf einer Vereinbarung mit 432 zu 202 ab. Nach der Abstimmung kündigte Theresa May an, dass sie der Opposition die Möglichkeit geben werde, für morgen ein Vertrauensabstimmung in die Regierung zu beantragen. Der Labour-Vorsitzender Jeremy Corbyn erklärte nach May, dass er ein Missvertrauensvotum für Mittwoch beantragt habe.
Jetzt droht Ende März ein harter Brexit, wenn Großbritannien aus allen EU-Agenturen, der Wirtschafts- und Zollunion flöge und sich dann um bilaterale Verträge mit den EU-Ländern kümmern müsste. Bis es so weit ist, fiele Großbritannien aus EU-Sicht auf den Status eines Drittlandes zurück, mit allen dazugehörigen Konsequenzen. Oder aber London zieht das Austrittsbegehren einseitig zurück, wofür der Europäische Gerichtshof grünes Licht gegeben hat. Damit hätten sich sämtliche Spekulationen um den weiteren Verlauf des Brexit mit einem Schlag erübrigt, und die Uhr würde sozusagen auf den 22. Juni 2016 zurückgedreht, dem Tag vor dem Referendum.
Ein erfolgreiches Misstrauensvotum ist der einzige gangbare Weg, wie die Opposition eine Neuwahl auslösen kann. Erfolgschancen werden der Labour-Initiative aber kaum eingeräumt. Sie bräuchten dazu die Hilfe von Rebellen aus der konservativen Regierungsfraktion oder der nordirisch-protestantischen DUP, die mit ihren zehn Stimmen die Minderheitsregierung stützt. Beides ist nicht in Sicht.
Sollte May die Vertrauensabstimmung wie erwartet gewinnen, stünde Corbyn aber unter großem Druck, sich hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum zu stellen. Er hat diese Option nicht ausgeschlossen, aber davon abhängig gemacht, dass eine Neuwahl unmöglich ist.
Theoretisch könnte Corbyn auch zu einem späteren Zeitpunkt einen weiteren Misstrauensantrag gegen die Regierung stellen. Echte Chancen werden ihm dabei aber nur zugerechnet, wenn sich die DUP gegen die Regierungschefin stellt. Denkbar wäre das, wenn sich May in einem zweiten Wahlgang gegen den Willen der DUP mit ihrem Brexit-Deal durchsetzt.
Bislang gibt es für ein zweites Brexit-Referendum keine Mehrheit im Parlament. Unklar ist zudem, welche Fragen den Wählern dabei vorgelegt werden sollten. Kritiker fürchten, eine zweite Volksabstimmung würde den Graben in der britischen Gesellschaft weiter vertiefen.
Im Juni 2016 hatte sich eine knappe Mehrheit der Briten für den EU-Austritt ausgesprochen. Umfragen zufolge hat sich seitdem kaum etwas geändert. Daher ist fraglich, wie ein zweites Referendum ausgehen würde.
(dpa/rt deutsch)