Anlässlich seiner Neujahrs-Ansprache an die Franzosen am 31. Dezember 2018 sagte der französische Präsident Emmanuel Macron:
Die Regierung wird in den kommenden Monaten diese Arbeit fortsetzen müssen, um die Regeln für das Arbeitslosengeld grundlegend zu ändern, um mehr Anreize für die Rückkehr ins Berufsleben zu schaffen.
Das dürfte deutschen Ohren bekannt vorkommen. Tatsächlich kündigte ein im Amtsblatt veröffentlichtes Dekret am Tag vor dieser Ankündigung an, dass ein im Sommer von den Mitgliedern des Parlaments angenommener Text in Kraft treten wird, der es erlaubt, Sanktionen gegen Arbeitslose, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, zu verschärfen. Es geht dabei um nichts anderes als eine verschärfte Gängelei von Arbeitslosen.
Demnach werden einem Arbeitssuchenden, der nicht an einem geplanten Termin mit seinem Berater der Agentur für Arbeit teilnimmt, für einen Monat seine Leistungen gestrichen, bei zwei Verstößen sind es zwei Monate und vier Monate nach dem dritten festgestellten Verstoß. Darüber hinaus verschärft die Regierung die Sanktionen nach einer als unzureichend erachteten Arbeitssuche: So kann beispielsweise nach zwei als "angemessen" befundenen, aber abgelehnten Stellenangeboten die Vergütung zurückgezogen werden, anstatt - wie ursprünglich geplant - ausgesetzt zu werden.
Im Sinne einer verstärkten Kontrolle beschränkt die Verordnung die Möglichkeiten, ein Stellenangebot aufgrund des vorgeschlagenen Gehalts abzulehnen. Zudem soll auch die Bedeutung das zuvor erhaltenen Gehalts bei der Suche nach einer neuen Stelle gesenkt werden.
Neu ist auch, dass die Agentur für Arbeit allein über die Kontrolle und die Sanktionen gegenüber Arbeitslosen entscheidet, während diese bisher dem Arbeitsministerium vorbehalten war. Darüber hinaus müssen einige Arbeitssuchende ein "digitales Logbuch" führen, in dem sie jeden Monat ihre Datensätze zur Stellensuche erfassen müssen. Dieses System wird ab Mitte 2019 in mehreren französischen Regionen ein Jahr lang getestet.
Präsident Macron hatte sich bereits am 27. Dezember 2017 für eine Verschärfung der Sanktionen gegen Arbeitslose ausgesprochen. Seiner Meinung nach wäre dies eine "normale" Maßnahme, die von "allen Ländern um uns herum" ergriffen werde. Tatsächlich ermutigt die Europäische Union die Mitgliedsstaaten insbesondere durch ihre "Beschäftigungsleitlinien", einen "gemeinsamen" Kurs zu verfolgen, indem sie ihre Arbeitsmärkte - wie sie es nennt - "flexibler gestalten" sollten. Dies soll Unternehmen ermöglichen, "leichter rekrutieren" zu können.
Das neue Dekret könnte die Proteste der Gelbwesten, die gerade dabei sein könnten, etwas abzuklingen, buchstäblich wieder neu befeuern. An die Adresse der Gelbwesten, ohne sie allerdings wörtlich zu erwähnen, richtete Macron in seiner Neujahrsansprache die Beteuerung: "Wir haben nicht aufgegeben, unser Land will eine bessere Zukunft aufbauen." Das sei seine Lektion von 2018. "Wir wollen die Dinge ändern, um besser zu leben, unsere Ideale zu verteidigen, wir wollen demokratisch, sozial, politisch, wirtschaftlich und ökologisch innovativ sein." Doch Macron mahnt:
Wir können nicht weniger arbeiten, mehr verdienen, unsere Steuern senken und unsere Ausgaben erhöhen, unsere Gewohnheiten nicht ändern und sauberere Luft atmen.
So oder so ähnlich werden gewöhnlich weitere Kürzungen angekündigt. Dass die neuen Maßnahmen der Regierung die soziale Spaltung der französischen Gesellschaft indes weiter vorantreiben werden, dürfte außer Zweifel stehen. Schon jetzt leiden Teile Bevölkerung unter dem "Segen" der "Reformpolitik" der letzten Jahre. Das Umfrageinstitut Ipsos ermittelte im September 2018, dass für jeden fünften Franzosen eine gesunde Ernährung, die es ihm ermöglicht, drei Mahlzeiten pro Tag zu essen, eine Quelle finanzieller Schwierigkeiten sei. Das Umfrageunternehmen gibt in seinen Ergebnissen an: 27 Prozent der Franzosen sagen, dass es aus finanziellen Gründen schwierig ist, täglich frisches Obst und Gemüse zu essen, nur 22 Prozent essen mindestens einmal pro Woche Fisch und nur 17 Prozent mindestens einmal pro Woche Fleisch.
Die Umfrage ergab auch, dass 59 Prozent der Franzosen bereits zu einem bestimmten Zeitpunkt in ihrem Leben gesagt haben, dass sie "kurz davorstanden, in Prekarität zu geraten", was einem Anstieg von 14 Prozentpunkten im Vergleich zu den zehn Jahre früher erhaltenen Zahlen entspricht. Zudem gaben 41 Prozent der Franzosen an, dass sie finanzielle Schwierigkeiten haben, mindestens einmal im Jahr in den Urlaub zu fahren. In Bezug auf ihre Gesunderhaltung bekannten fast 38 Prozent der Franzosen, dass sie Schwierigkeiten haben, für bestimmte medizinische Verfahren zu zahlen, die von der Sozialversicherung unzureichend erstattet werden.
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