Die EU-Staaten haben der britischen Premierministerin Theresa May auf dem EU-Gipfel in Brüssel kein Entgegenkommen beim Brexit in Aussicht gestellt. Die EU habe bereits versucht, die Sorgen Großbritanniens aufzunehmen, sagte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die britische Regierungschefin erwartet nach dem EU-Gipfel hingegen weitere Zusicherungen.
May muss für den mit der EU ausgehandelten Brexit-Vertrag im Januar eine Mehrheit im britischen Parlament finden. In dieser Woche hatte sie das Parlamentsvotum mangels absehbarer Mehrheit noch verschoben. Großbritannien wird die Staatengemeinschaft voraussichtlich am 29. März 2019 verlassen. Ohne Vertrag könnte dies zu chaotischen Zuständen führen.
Am heftigsten ist der Widerstand bei den Brexit-Hardlinern gegen den sogenannten Backstop. Dies ist die von der EU verlangte Garantie, dass zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland keine neue feste Grenze mit Schlagbäumen und Kontrollen entsteht.
Die EU hatte deshalb beim Gipfel eine Erklärung beschlossen, dass der Backstop möglichst nie genutzt werde und wenn doch, dann nur übergangsweise. May begrüßte die Zusage, doch in Großbritannien gab es ein verheerendes Echo. Kommentatoren sprachen am Freitag von einer Demütigung für May und einem "vernichtenden Schlag" gegen ihre Hoffnungen, das Brexit-Abkommen durchs Unterhaus zu bringen.
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Vor laufenden Kameras kam es auf dem Gipfel zu einem Streit zwischen May und Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Juncker hatte sich am Donnerstag beklagt, die Gespräche mit den Briten seien "nebulös und unpräzise". May stellte den Kommissionschef am Freitagmorgen zur Rede, als sie ihn im Ratsgebäude traf. Die Mikrofone waren aus, doch ein britischer Fernsehsender ließ einen Experten für Lippenlesen die Aussagen ermitteln. "Sie haben mich als nebulös bezeichnet! Ja, das haben sie getan!" herrschte May den verdatterten Luxemburger demnach an.
Vom Brexit überlagert wurden auch die Beratungen zur Migration und zur Beeinflussung von Wahlen durch Falschnachrichten. Juncker griff den ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán scharf an. "Wenn Herr Orbán beispielsweise sagt, dass ich für den Brexit verantwortlich und schuldig bin – Fake News. Wenn er sagt, dass Migranten für den Brexit verantwortlich sind – Fake News." Zuvor hatten die EU-Spitzen mit Blick auf die Europawahl im Mai 2019 vor der Einflussnahme durch systematisch verbreitete Falschnachrichten gewarnt.
Im Dauerstreit um die europäische Asylpolitik ging es beim EU-Gipfel gar nicht voran. Die Staats- und Regierungschefs betonten zwar, weiter auf den Schutz der Außengrenzen und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten setzen zu wollen. Allerdings ist der Ausbau der EU-Grenzschutzagentur Frontex zuletzt deutlich ins Stocken geraten. Auf neue Beschlüsse einigten sich die EU-Spitzen nicht.
Auch das gefeierte "Euro-Reformpaket zum Schutz vor Finanzkrisen" ist eher eine Mogelpackung. Es dürfte auch keinen Schutz vor Finanzkrisen darstellen. Gleiches gilt für das Eurozonen-Budget. Gemessen an den ursprünglichen Plänen ist es auch nur ein Mini-Projekt, das zur Stabilisierung der Eurozone nicht geeignet ist. Die Nordeuropäer unter Führung der Niederländer haben sich damit offenbar gegen Paris und Berlin durchsetzen können.
Inmitten all dieser Nicht- und Scheinlösungen sorgte auf dem Gipfel immerhin Jean-Claude Juncker für Stimmung. Wie auf diesem Video zu sehen ist, lockerte er schon bei seinem Eintreffen den drögen Gipfel-Alltag der EU-Spitzen gehörig auf.
(rt deutsch/dpa)