Der Appell, der am 14. Dezember auf der Webseite des Moskauer Patriarchats veröffentlicht wurde, ist - neben den Oberhäuptern der Weltkirchen und Generalsekretär der UNO António Guterres - auch an die Regierungenchefs Frankreichs und Deutschlands als Mitglieder des sogenannten Normandie-Formats adressiert. Grund sei die Verletzung der von der Verfassung garantierten Rechte von Kirchenhierarchen und Gläubigen der kanonischen ukrainischen Kirche.
In der letzten Zeit hat die Einmischung des säkularen ukrainischen Staates in die Angelegenheiten der Kirche Charakter einer groben Druckausübung auf Bischöfe und Kleriker der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (kurz UPZ) angenommen. Wir gehen davon aus, dass dies der Anfang einer großangelegten Verfolgung sein kann", heißt es in dem Appell.
In den letzten Wochen häuften sich Durchsuchungen in den Klöstern, Verhöre der Priester und Mönche durch den Sicherheitsdienst SBU sowie mehrmalige Drohungen von Seiten des Präsidenten der Ukraine an Kleriker und Gläubige. Diese sollten aus der Ukraine verschwinden, wenn sie dem Bestreben von Poroschenko nach einer "neuen ukrainischen Kirche" nicht folgen wollten. Vereinzelt gibt es auch Morddrohungen gegenüber Priestern sowie Übergriffe auf Gläubige durch nationalistische Milizen.
So wurden 14 Priester und ein Bischof in der westukrianischen Riwne am 5. Dezember zu einem mehrstündigen Verhör beim ukrainischen Sicherheitsdienst SBU vorgeladen. Sie seien des Staatsverrats beschuldigt worden, sagte ihr Kirchensprecher nach dem Verhör gegenüber den Journalisten.
Am 7. Dezember schrieb die Synode der UPZ in einer Erklärung, dass die in der Ukraine angestrebte Versammlung (Sobor) aller genehmen ukrainischen Kirchen, die am 15. Dezember abgehalten werden soll, illegal sei, denn sie sei nicht anderes als eine "Ansammlung verschiedener schismatischer Gruppierungen". Ihre Beschlüsse seien daher nicht bindend. Die Einladung des Patriarchs von Konstantinopel Bartholomäus, an dieser Versammlung teilzunehmen, sei deshalb abzulehnen.
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Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko treibt seit April dieses Jahres die Gründung einer neuen autokephalen (also selbständigen) ukrainischen Kirche aktiv voran. Diese solle mittels des Konstantinopeler Patriarchs Bartolomäus durch einen speziellen Erlass (griechisch "Tomos") erfolgen, denn er hat seine Bereitschaft, eine neue allukrainische Kirche zu installieren, bereits mehrmals signalisiert. Diese sollte dann aber unter die Obhut des Konstantinopeler Patriarchen kommen. Nur dann wäre diese aus der Konstantinopeler Sicht auch rechtmäßig. Sowohl Poroschenko als auch Bartolomäus stützen sich dabei jedoch lediglich auf die nicht anerkannte, erst unlängst selbst abgetrennte Kirche des Kiewer Patriachats der Rus-Ukraine mit dem selbsternannten Patriarchen Philaret an der Spitze und einer zahlenmäßig kleinen sog. ukrainischen autokephalen Kirche. Nun trachten sie danach, dass auch die kanonische ukrainische Kirche ihren Übertritt vom Moskauer Patriarchat zur geplanten urkainischen Kirche erklärt.
Das gesamte Vorhaben wird in der Welt der Orthodoxen Kirche nicht ungeteilt unterstützt. Etwa die Hälfte der insgesamt 14 Orthodoxen Kirchen weltweit haben dies als nicht kanonischen, spalterischen Akt kritisiert. Ein anderer Teil der Kirchen ruft zur Klärung der Frage auf der All-Orthodoxen Versammlung auf und kritisiert damit den Konstantinopeler Patriarchen zumindest für dessen Alleingang. Den einzigen ungeteilten Anhänger findet Bartholomäus bislang einzig und allein im verlängerten Arm der US-Regierung. Deren Bevollmächtigter für internationale Fragen der Religionsfreiheit, Samuel Braunbeck, besuchte die Ukraine im September und traf sich mit dem ukrainischen Präsidenten. Eine eigene autokephale Kirche sei für die Ukraine genauso wichtig wie die territoriale Souveränität, sagte er in der Presseerklärung nach diesem Treffen.
Die ukrainische orthodoxe Kirche UPZ gehört seit dem Jahr 1686 zum Moskauer Patriarchat. Seit der ukrainischen Unabhängigkeit im Jahr 1991 genießt sie weitreichende Autonomie und verfügt auch eigenverantwortlich über ihre Finanzen, ist aber nach wie mit Moskau kanonisch und eucharistisch verbunden. Bislang ist sie mit etwa 12.000 Kirchengemeinden und 200 Klöstern zahlenmäßig die größte und die einzig kanonisch anerkannte orthodoxe Kirche in der Ukraine.
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