Ukraine will nach Schiffs-Konflikt Kriegsrecht ausrufen

Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko will nach der Auseinandersetzung im Schwarzen Meer die Verhängung des Kriegsrecht vorschlagen. Bei dem Vorfall hatte das russische Militär ukrainische Schiffe wegen der Verletzung russischer Hoheitsgewässer beschlagnahmt.

Am Sonntag fuhren drei ukrainische Schiffe von Odessa an der Schwarzmeerküste in Richtung Mariupol am Asowschen Meer. Die einzige Wasserstraße, die diese verbindet, ist die Straße von Kertsch zwischen der Krim und dem russischen Festland. Kiew sagt, dass es Moskau im Voraus darüber informiert hätte, dass seine Marineschiffe durch das Gebiet fahren werden, was Moskau bestreitet. Die ukrainische Provokation führte zur Eskalation. Die ukrainischen Schiffe wurden schließlich vom russischen FSB beschlagnahmt und zum Krimhafen von Kertsch geschleppt.

Gegen Mitternacht berief der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den Nationalen Sicherheits- und Verteidigungsrat der Ukraine (NSDC) zu einer Dringlichkeitssitzung ein, in der vorgeschlagen wurde, das Kriegsrecht durchzusetzen. Der Rat hat den Antrag vorangetrieben und das Kriegsrecht für 60 Tage erklärt. Der Antrag wird nun dem ukrainischen Parlament, der Werchowna Rada, zur endgültigen Genehmigung vorgelegt.

Der ukrainische Staatsführer sagte, dass Kiew nicht plane, offensive Operationen durchzuführen, wenn das Kriegsrecht verhängt wird.

Auf einer Pressekonferenz nach dem Treffen sagte Poroschenko, dass Kiew die NATO und die EU aufgefordert habe, "unsere Maßnahmen zur Gewährleistung des Schutzes der Ukraine zu koordinieren".

"Wir appellieren an die gesamte pro-ukrainische internationale Koalition. Wir müssen unsere Anstrengungen bündeln", sagte Poroschenko und fügte hinzu, dass er am Montag mit NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg über weitere Schritte sprechen werde.

Für Montag seien auch Gespräche mit Vertretern westlicher Verbündeter geplant, sagte der ukrainische Präsident.

Poroschenko versuchte, der Öffentlichkeit zu versichern, dass die Entscheidung Kiews, das Kriegsrecht zu verhängen, nicht gegen die Rechte und Freiheiten seiner Bürger verstößt, und stellte klar, dass die Ukraine nur Abwehrmaßnahmen zum Schutz ihres Territoriums und ihrer Bevölkerung durchführen wird.

Die Verhängung des Kriegsrechts werde die Pattsituation in den abtrünnigen Republiken Lugansk und Donezk, die sich in einem wackeligen Waffenstillstand mit Kiew befinden, nicht beeinträchtigen, so der Präsident weiter.

Droht Einschränkung von bürgerlichen Freiheiten kurz vor anstehenden Wahlen?

Das Kriegsrecht erlaubt es der ukrainischen Regierung, eine Reihe von bürgerlichen Freiheiten einzuschränken, die anderweitig durch die Verfassung geschützt sind, wie zum Beispiel die Pressefreiheit, die Freizügigkeit und die Versammlungsfreiheit.

Nach dem Kriegsrecht kann Kiew beispielsweise Reisebeschränkungen einführen, die es den Einwohnern verbieten, das Land zu verlassen. Das Kriegsrecht sieht auch eine strengere Kontrolle an den Grenzkontrollstellen vor, was eine gründliche Durchsuchung von Fahrzeugen, Fracht und anderem Eigentum einschließen kann.

Der Schritt ermöglicht auch eine bessere Kontrolle über Medien. Veröffentlichungen, Fernseh- und Radiosender können untersagt oder abgeschaltet werden, sollten sie angeblich eine Bedrohung für die nationale Sicherheit der Ukraine darstellen.

Das Kriegsrecht gibt den Behörden das Recht, friedliche Kundgebungen, Proteste und Demonstrationen sowie andere Massenveranstaltungen zu verbieten. Darüber hinaus ist es möglich, Aktivitäten von politischen Parteien und öffentlichen Vereinigungen zu verbieten.

Laut Gesetz ist es nicht möglich, die bevorstehenden Präsidentschafts- oder die Parlamentswahlen unter geltendem Kriegsrecht abzuhalten. Da das Kriegsrecht jedoch nur 60 Tage dauern kann, sollte es nicht verlängert werden, könnte es vor den Abstimmungen auslaufen, die für März beziehungsweise Oktober geplant sind.

Das vorgeschlagene Kriegsrecht wird etwa vier Monate vor den Präsidentschaftswahlen in der Ukraine verhängt, während die Umfragewerte von Poroschenko einen Tiefpunkt erreicht haben. Laut einer aktuellen Umfrage sind nur 7,8 Prozent der Ukrainer bereit, bei der März-Abstimmung ihre Stimme für den amtierenden Präsidenten abzugeben. An der Spitze hingegen steht die ehemalige ukrainische Premierministerin Julia Timoschenko mit rund 18,5 Prozent. Poroschenko liegt sogar hinter dem berühmten ukrainischen Komiker Volodymyr Zelenskiy, der mit 10,8 Prozent auf Platz zwei liegt – trotz der Tatsache, dass er noch nicht bestätigt hat, ob er überhaupt bei den Wahlen zur Verfügung stehen wird.