Am Montag fand in Brüssel ein Treffen der Außen- und Verteidigungsminister statt, wo man sich auf 17 neue Projekte für die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (Pesco) geeinigt hat, wie die EU-Armee ziemlich schwerfällig offiziell genannt wird. Unter anderem sollen neue Waffensysteme wie eine Eurodrohne oder der Kampfhubschrauber Tiger Mark III unter dem Pesco-Dach hervorgebracht werden, mit hoffentlich besserem Ergebnissen als bisherige europäische Produktionen à la Eurofighter oder A400M. Auch der Ausbau der gemeinsamen Kommandozentrale für Militäreinsätze soll vorangetrieben werden, um dann künftig nicht nur Ausbildungseinsätze wie beispielsweise in Mali zu koordinieren, sondern auch womöglich Kampfeinsätze.
Dass das transatlantische Militärbündnis NATO diese Entwicklung in Europa mit Argwohn betrachtet, ist natürlich nachvollziehbar. Immerhin sind es dieselben Staaten, die eine eigene EU-Armee fordern, die gleichzeitig auch NATO-Mitglieder sind. Ebenso sind die Beteuerungen der Europäer, dass diese Armee nicht als Konkurrenz zur NATO, sondern als eine Art Ergänzung existieren soll, gerade für Länder wie die Vereinigten Staaten von Amerika und Großbritannien nicht wirklich plausibel. Denn Großbritannien war nebst Dänemark und Malta das einzige EU-Mitglied, das sich gegen Pesco entschieden hatte und sich nicht beteiligen wollte. Gerade in Hinblick auf den EU-Austritt der Briten bekommt eine eigene EU-Armee nochmal eine zusätzliche Brisanz, da London zwar in der NATO eine Stimme hat, aber dann bei Pesco eben nicht mehr. Irgendwann könnte so die alte Animosität zwischen den Kontinentaleuropäern und den Briten zum Vorschein kommen, die bereits in der aktuellen Brexit-Debatte auf der Insel teilweise aufblitzt.
Deshalb war es jetzt auch ein Brite, der eine dezidierte Warnung, insbesondere an die Adressen von Bundeskanzlerin Angela Merkel und von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, aussprach. Am Rande des Halifax International Security Forums sagte der britische Air Chief Marshal und Vorsitzende des NATO-Militärrates, Sir Stuart Peach, dass dieses Konzept, wie es den Europäern vorschwebt, "töricht" wäre. Damit wiederholte er auch die Warnung von NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, die dieser bei seinem Besuch in Berlin am 13. November äußerte. Grundsätzlich wäre es ein positives Zeichen, dass die Europäer mehr für ihre Sicherheit tun wollen, sagte Stoltenberg. Und sie können das auch gerne ohne die USA tun, vorausgesetzt sie benutzen dafür die NATO-Strukturen.
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Das zeigt, wie sehr sich Washington davor fürchtet, die Schalthebel der Macht in Europa zu verlieren. Denn solange sich die noch in der Geburtsphase befindliche EU-Armee innerhalb von NATO-Strukturen bewegt, werden die US-Amerikaner immer Einfluss auf die Sicherheitsstruktur Europas haben. Das war immerhin Sinn und Zweck der Allianz nach dem Ende des Kalten Krieges, wie man in einem geheimen Pentagon-Dokument aus dem Jahr 1992 nachlesen kann:
Es ist deshalb von fundamentaler Bedeutung, die NATO als primäres Instrument der westlichen Verteidigung und Sicherheit zu bewahren, aber auch als Kanal für US-Einfluss und Teilhabe in europäischen Sicherheitsfragen. Während die Vereinigten Staaten das Ziel der europäischen Integration unterstützen, müssen wir dafür Sorge tragen, dass kein ausschließlich europäisches Sicherheitsarrangement entsteht, welches die NATO (und dabei) insbesondere die integrierte Kommandostruktur der Allianz untergraben könnte.
Ob sich Deutschland tatsächlich von der NATO und damit den Vereinigten Staaten emanzipieren wird, ist trotz der Unterstützung für eine EU-Armee fraglich. Dafür sind zu viele Kommandozentren der Allianz und der USA auf deutschem Boden vorhanden und werden sogar neu gebaut, als dass hier ein klarer Schnitt in absehbarer Zeit möglich wäre, selbst wenn es dafür einen politischen Konsens geben würde. Beim Nachbar Frankreich sieht das ganz anders aus.
Frankreich war für die Amerikaner schon immer das Sorgenkind in Europa. Als ehemalige Groß- und gegenwärtige Nuklearmacht zeigte sich Paris in der Vergangenheit immer wieder widerspenstig und fuhr unter Präsident Charles de Gaulle auch die Krallen aus, als er die NATO aus dem Land werfen ließ und dem Bündnis die französischen Truppen entzog. De Gaulle begründete diese Entscheidung mit Worten, die schon damals für Furore sorgten, aber auch heute ihre Gültigkeit nicht verloren haben:
Die Schlacht der NATO in Deutschland interessiert uns nicht.
Paris könne keine Mitverantwortung für die den Europäern von Amerika auferlegte Strategie der abgestuften Abschreckung übernehmen. Die Forderung de Gaulles, Frankreich solle ein "Europa der Europäer, nicht der Amerikaner" anführen, hallt heute auch bei Emmanuel Macron nach, wenn auch in abgeschwächter Form.
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