"Die Art und Weise, wie du gehst, handelst und dich kleidest, zeigt nicht einmal im Geringsten, dass du homosexuell sein könntest", schrieb der österreichische Beamte in seiner Beurteilung. Aus diesem Grund war er der Meinung, dass dem Asylanträger keine Gefahr in Afghanistan drohe und daher abgeschoben werden muss. Die Entscheidung soll bereits im Mai getroffen worden sein, geht aus einem Bericht des österreichischen Wochenmagazins Falter am Mittwoch hervor.
In Afghanistan ist Homosexualität illegal und gilt als Verbrechen, das nach dem Scharia-Gesetz bestraft wird. Homosexuelle werden von der Gesellschaft abgelehnt. Deren sexuelle Orientierung wird für unmoralisch gehalten.
Der afghanische Flüchtling kam 2016 allein nach Österreich. Er wurde im Flüchtlingslager eines SOS-Kinderdorfes untergebracht. Zunächst erklärte er seinen Asylantrag damit, dass er Teil der Hasara-Minderheit sei, die in seinem Heimatland angeblich verfolgt wird, und legte später wegen seiner sexuellen Orientierung Berufung ein. Befürworter des Teenagers sagten, dass er anfangs Angst hatte, sich zu outen.
Der Beamte will auch "Aggressionspotential" beim Afghanen erkannt haben, das "von einem Homosexuellen nicht zu erwarten wäre", weil der Mann in der Unterkunft, in der er untergebracht war, offenbar in Schlägereien und Streitigkeiten verwickelt gewesen ist.
Berichten zufolge hatte er nur wenige Freunde und verbrachte gern Zeit allein oder in kleinen Gruppen, was den Migrationsbeamten dazu veranlasste, in seinem Bericht die Frage aufzuwerfen:
Sind Homosexuelle nicht eher sozial?
Der Afghane verteidigte sich und sagte, dass er sich seiner Sexualität bewusst wurde, als er 12 Jahre alt war. Der Beamte fand das "ziemlich früh" und damit unwahrscheinlich, besonders in einer Gesellschaft wie Afghanistan, "wo es keine öffentliche sexuelle Stimulation durch Mode und Werbung gibt".
Der Afghane, der als Minderjähriger nach Österreich kam, habe gegen die Entscheidung Berufung eingelegt, berichtete der Falter.
Das österreichische Innenministerium sagte am Mittwoch, es könne sich nicht zu dem konkreten Fall äußern, aber der Zwischenfall wäre "kein Spiegelbild der [weiteren] Realität". In den vergangenen zwei Jahren seien rund 120.000 Asylanträge beschlossen worden.
"Asylsuchende müssen ihre Fluchtgründe begründen. Es gibt keine konkreten Beweisregeln, aber die Behörden müssen erklären, ob und warum eine Behauptung begründet wurde", sagte das Ministerium in einer Erklärung und fügte hinzu, dass "individuelle Eindrücke" im Interviewprozess von Bedeutung seien.
Es ist häufiger, dass LGBT-Flüchtlinge weiterhin ihre sexuelle Identität verbergen und über die Gründe für einen Asylantrag lügen, zitierte die New York Times Patrick Dörr, der Queer Refugees leitet, ein staatlich gefördertes Programm für LGBT-Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen.
"Viele von ihnen müssen Scham und Stigmatisierung überwinden", sagte Marty Huber, eine Gründerin von Queer Base, am Donnerstag in einem Interview.