von Zlatko Percinic
Der Terminplaner von Andrei Parubij, dem gegenwärtigen Parlamentssprecher der Ukraine, war in den vergangenen Wochen ziemlich voll. Anfang Juni reiste er zuerst nach Paris, um sich mit seinen Kollegen aus den beiden französischen Parlamentskammern zu treffen. Wenige Tage später führte ihn die Reise nach Großbritannien, wo er in London auf hochrangige Regierungsvertreter traf. Anschließend ging es noch weiter in die schottischen Highlands, um auch dem schottischen Parlament seine Aufwartung zu machen. Dann stand auch noch das wichtigste Treffen auf dem Programm: in Washington.
Wo Parubij auch hinkam, überall wurde er freundlich empfangen und als lupenreiner Demokrat aufgenommen. Von offizieller Seite interessierte sich niemand für seine Vergangenheit. Im Holyrood-Palast, dem Sitz des schottischen Parlaments, verneigte sich Parubij gar unter dem Applaus der Parlamentsabgeordneten. Als später der Sprecher der Ersten Ministerin von Schottland, Nicola Sturgeon, zu Parubijs Vergangenheit befragt wurde, antwortete dieser salopp:
Da wissen Sie viel mehr als ich, ich weiß gar nichts über ihn.
Nicht nur "konservativer Nationalist"
Darin zeigt sich die ganze Ignoranz der Politiker, die es offenbar nicht kümmert, wen sie vor sich haben. Hauptsache ist, dass das Protokoll stimmt, wie Ken Macintosh, der schottische Parlamentssprecher, bekannt gab. Auch in Washington zeigte sich ein ähnliches Bild. Michael Carpenter, Experte beim Atlantic Council für Russland und Eurasien, war zum Zeitpunkt der Maidan-Proteste des Putsches gegen Präsident Wiktor Janukowytsch in der Ukraine, als außenpolitischer Berater von Vizepräsident Joe Biden. Nebst den öffentlich auftretenden Senatoren wie John McCain und Lindsay Graham war es Carpenter, der zusammen mit Victoria Nuland hinter der Bühne die Fäden zog und den Umsturz für Washington "observierte".
Aber wie schon zuvor in Holyrood interessierte es auch Michael Carpenter nicht, wen er da eigentlich nach Washington eingeladen hatte und für wen er einen Termin mit dem einflussreichen Sprecher des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, einfädelte. Es ist vermutlich davon auszugehen, dass Ryan noch weniger wusste, mit wem er sich traf.
Der US-amerikanische Autor Max Blumenthal war jeweils bei den öffentlichen Auftritten von Andrei Parubij im US-Senat dabei und versuchte eine Reaktion von dessen amerikanischen Gastgebern herauszukitzeln. Blumenthal fragte ihn, ob es eine gute Idee gewesen sei, den Gründer von zwei ukrainischen Neonaziparteien in den Senat und zu Paul Ryan zu bringen. Die Antwort von Michael Carpenter ist exemplarisch für den Umgang mit diesem Thema in der Welt der Politik:
Schauen Sie, ich denke Andrei Parubij ist ein konservativer Nationalist, der auch ein Patriot ist, der sich für sein Land einsetzt. Ich denke nicht, dass er irgendwelche Neonazi-Neigungen oder einen solchen Background hat. Vieles wurde darüber berichtet, ganz ehrlich, ich denke, das ist mehrheitlich russische Propaganda.
Das ist der typische Klassiker, einfach alles auf "russische Propaganda" zu schieben, die es natürlich zweifelsohne auch gibt. Doch so einfach ist es im Fall Parubij nicht. Es ist ein Faktum und leider keine Propaganda, dass der Ukrainer 1991 die "Sozialnationale Partei der Ukraine" (SNUP) zusammen mit Oleh Tjahnybok gegründet hatte. Eine Partei, die 2004 in Swoboda umgetauft wurde und seitdem unter der Führung von Tjahnybok steht. In einem akademischen Papier von Andreas Umland, einem Deutschen, der in der Ukraine lebt, als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Euro-Atlantische Kooperation in Kiew arbeitet und alles andere als ein Freund Russlands ist, heißt es zur SNPU:
[…] von den verschiedenen nationalistischen Parteien der Ukraine war die SNPU diejenige, die am wenigsten darauf bedacht war, ihre neofaschistische Zugehörigkeit zu verschleiern.
Noch 2012 distanzierte sich das EU-Parlament noch selbst davon
Des Weiteren machte Umland klar, dass der Name von Parubijs Partei, klaren Bezug auf den historischen deutschen Nationalsozialismus nahm. Die Partei verfolgte das Ziel, eine neue Gesellschaft auf der Basis einer Vorherrschaft der "reinen Ukrainer" zu schaffen, welche nicht nur historische und kulturelle Gemeinsamkeiten habe, sondern auch "psychologische und biologische". Von 1998 bis 2004 führte Parubij auch den paramilitärischen Flügel der SNPU, die sogenannten "Patrioten der Ukraine".
Und es wäre jetzt auch nicht geradewegs so, als ob die Europäische Union nichts davon gewusst hätte. In einer Resolution des Europaparlaments aus dem Jahr 2012 wird bereits die Entwicklung in der Ukraine moniert, wonach "rassistische, antisemitische und fremdenfeindliche Ansichten", die sich dort ausbreiteten, gegen die "fundamentalen Werte der EU" seien. Und dass doch bitteschön die prodemokratischen Parteien der Ukraine keine gemeinsame Sache mit Swoboda machen sollten.
Aber das ist alles Schnee von gestern. Auf dem Maidan zeigten sich US-amerikanische Politiker auf der Seite von Oleh Tjahnybok und Andrei Parubij und beschworen die Ukrainer, sich gegen den gewählten Präsidenten Janukowytsch zu stellen. Spätestens seit diesem Zeitpunkt sind die modernen Nazis wieder salonfähig geworden in Europa und den angelsächsischen Ländern.
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