von Zlatko Percinic
Man hätte meinen können, es feiert ein ganz normaler Staat seinen Tag der Unabhängigkeit. Hunderte Menschen säumten den festlich geschmückten Boulevard, wollten einen Blick auf die ausländischen Gäste und Staatsoberhäupter erhaschen, die unter entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen auf die Ehrentribüne zuschritten.
Zuvor hatte es im prachtvollen Theater zu den Klängen der staatlichen Philharmonie Auszeichnungen von Bürgerinnen und Bürgern gegeben, die durch den Präsidenten der selbstausgerufenen Volksrepublik von Donezk verliehen wurden. Offiziere wurden für ihre Leistungen geehrt und befördert. Die Staatsoberhäupter erhielten Ehrenmedaillen und sogar drei ausländische Gäste, der Linke-Politiker Andreas Maurer, der Vorsitzende einer kleinen Hilfsorganisation aus Frankreich, Nikola Mirkovic, und der Honorarvertreter der Donezker Volksrepublik in Frankreich, Hubert Fayard, wurden für ihre Bemühungen zur Völkerverständigung ausgezeichnet.
Durch gleiches Schicksal verbunden
Wie bei einem ganz normalen Staatsempfang irgendwo sonst auf der Welt auch, war alles minutiös geplant und man achtete streng auf das Protokoll. Der einzige Unterschied bestand darin, dass die Regierungschefs, die man dort begrüßte, nicht etwa aus Berlin, Paris, Washington oder Moskau kamen, sondern aus eher exotisch klingenden Hauptstädten wie Lugansk, Zchinwali und Sochumi. Dass das alles Regionen sind, die sich von ihren international anerkannten Ländern Georgien und der Ukraine de facto abgespaltet haben, tat den Feierlichkeiten keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil: Die Menschen in Donezk betrachten die Gäste aus Südossetien, Abchasien und Lugansk als Brüder im Geiste, die das gleiche Schicksal teilen und schon allein deshalb ihren Respekt verdient haben.
Bei strahlendem Sonnenschein zog eine einstündige Parade über den Boulevard und an der Ehrentribüne vorbei, an der tausende Menschen teilnahmen. Aus der gesamten "Volksrepublik" sind sie nach Donezk angereist, um ihre Berufsverbände und Städte zu repräsentieren. Dass dabei sehr viele russische Fahnen geschwenkt wurden, hat nicht etwa damit zu tun, dass die selbstausgerufene Volksrepublik Donezk unter russischer Kontrolle oder Besatzung steht, wie es mancherorts schon berichtet wurde, sondern schlicht und ergreifend damit, dass sich die Menschen selbst als Russen sehen. Sie sind Russen im Donbass und tragen beide Fahnen mit Stolz: die schwarz-blau-rote der Donezker Volksrepublik und die weiß-blau-rote Russlands.
Mehrheit sieht keinen Weg zurück in die Ukraine
Für die Einwohner von Donezk und die Bürgerinnen und Bürger der selbsternannten Volksrepublik endete der Tag der Unabhängigkeit am 11. Mai mit einer Feier im Olympiastadion. Ob tatsächlich alle 26.100 Plätze des Stadions besetzt waren, lässt sich schwer beurteilen. Zumindest aber war es sehr gut besucht und von unserem Platz aus sah es tatsächlich so aus, als ob es voll wäre. Ob nun etwas weniger Menschen da waren oder nicht, spielt gar keine Rolle. Es ist aber eine Tatsache, dass das Volk der selbstausgerufenen Donezker Volksrepublik überwiegend hinter diesem Weg steht und mit Freude die Feierlichkeiten anlässlich des Unabhängigkeitstages begeht. Wenigstens für ein paar wenige Stunden konnten die Menschen das Grauen des Krieges vergessen und sich über Dinge freuen, die bei uns eine Selbstverständlichkeit sind. Die Show im Olympiastadion half ihnen dabei, Sorgen und Probleme auf den nächsten Tag zu verschieben und einfach nur die sehr willkommene Abwechslung zu genießen.
Was auf der einen Seite für das eigene Volk gilt, gilt auf der anderen Seite natürlich auch den ausländischen Gästen und Staatschefs: Donezk will sich als eine junge, dynamische Nation präsentieren und das Potenzial seiner Bevölkerung hervorheben. Für beide Seiten war dieser 11. Mai ein Erfolg: Es gab keine Zwischenfälle, die Menschen hatten Spaß und die ausländischen Besucher durften in der Tat die schönste Seite der jungen Volksrepublik kennenlernen.
Umso passender die Worte des Präsidenten Alexander Sachartschenko am Abend beim Staatsbankett, als die dritte Dankesrede erneut an ihn persönlich gerichtet wurde:
Vielen Dank! Aber wenn noch einer mir persönlich gratuliert, dann gibt's Ärger! [lacht] Gratuliert nicht mir, gratuliert dem Volk da draußen, dem das Verdienst dieser Republik gebührt. Die Menschen haben mit ihrem Schweiß und Blut unsere Volksrepublik Donezk geformt!
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