Es dürfte das Mega-Rüstungsprojekt der kommenden Jahrzehnte werden: Berlin und Paris wollen für viele Milliarden ein völlig neues Kampfflugzeug entwickeln. Hürden und Unklarheiten stehen auf der Internationalen Luft- und Raumfahrtmesse nicht zur Schau.
Militärische Revolution
Bislang besteht das Projekt aus Absichtserklärungen über gemeinsame Vorhaben bei Aufklärungsflugzeugen, Transportflugzeugen und bei einem neuen Kampfflugzeug-System, aber die Beteiligten machen schon klar, dass da etwas Großes vor ihnen liegt. Kanzlerin Angela Merkel sieht darin einen kräftigen Schub für Europa, auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen schwärmt
Deutschland und Frankreich haben immer auch eine besondere Verantwortung für unsere Zukunft in einem gemeinsamen Europa übernommen. Wir wünschen uns ein freies, ein demokratisches, ein stabiles Europa - ein starkes Europa, das seine Menschen und seine Werte schützen kann."
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sprach gar von einer "Revolution". Und auch die Industrie reibt sich schon die Hände. "Das wird viel mehr als nur ein neues Flugzeug", verkündet Airbus-Rüstungsvorstand Dirk Hoke begeistert zum Auftakt der Luftfahrtmesse ILA in Berlin-Schönefeld am Mittwoch. Es gehe um einen europäischen Kampfjet der nächsten Generation.
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Nach dem Pannen-Kampfflugzeug kommt der beste Flieger der Welt
Die ILA ist im Jahr 2018 erstmals offiziell eine gemeinsame deutsch-französische Veranstaltung und hat in diesem Jahr vor allem einen militärischen Schwerpunkt. Berlin und Paris schreiten bei der Rüstungskooperation voran. Am Ende soll nicht nur ein einzelnes Flugzeug stehen, sondern ein fliegendes Kontrollzentrum, das Drohnen und Satelliten steuern kann. Die Rede ist vom besten Flugzeug der Welt. Die Konzerne Airbus und Dassault wollen den Kampfjet bauen und den amerikanischen Wettbewerbern damit Paroli bieten. Zum ILA-Start vereinbaren die Konzerne eine entsprechende Kooperation. "Wir wollen strategische Autonomie für Europa", wirbt Dassault-Chef Eric Trappier.
Merkel und Macron hatten sich bereits im Juli 2017 auf die Zusammenarbeit verständigt. Bislang gehen die europäischen Partner auf diesem Feld getrennte Wege. Der letzte ähnliche Versuch war in den 1980er Jahren geplatzt, als Frankreich bei der Entwicklung des Eurofighter-Jets nicht mitzog. Stattdessen entwickelten die Franzosen das Rafale-Flugzeug. Das neue System soll beide Flotten ersetzen.
Die beiden Länder wollen auch eine Drohne zusammen bauen, einen Kampfpanzer, einen Seefernaufklärer. Der Markt auf dem Kontinent sei zu klein für zwei oder drei verschiedene Systeme, wird argumentiert. "In einer unsicherer werdenden Welt ist es deshalb auch wichtig, dass wir gemeinsam Vorsorge treffen", sagt Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Donnerstag auf der ILA.
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Die CDU-Ministerin und ihre französische Amtskollegin Florence Parly üben auf der Messe den demonstrativen Schulterschluss. Gemeinsam landen sie mit dem notorisch pleitenbehafteten Airbus A400M-Transportflugzeug – eskortiert von einem Eurofighter und einem französischen Rafale-Kampfjet - vor der versammelten Presse auf dem Flugfeld. Ausgerechnet mit der Maschine, die wie keine zweite für Pannen und Probleme europäischer Rüstungsprojekte steht: Zu teuer, zu spät, schlechter als bestellt. "Wir haben aus unseren Fehlern gelernt", verspricht von der Leyen. Bei künftigen Rüstungsprojekten würden die beteiligten Länder mit einer Stimme sprechen, bei jedem Projekt habe ein Land die Führung inne.
Demonstrative Geschlossenheit statt politischer Diskussionen
Auch wenn dieses Projekt zu dem in der EU-Strategie vom Juni 2016 festgehaltenen Anspruch passt, von den USA "autonome" militärische "Spitzenfähigkeiten“ aufzubauen, werden beide Seiten sicherlich auch in diesem Fall darauf achten, die eigene Industrie nicht zu enttäuschen.
Vor ein paar Monaten hätten wir nicht gedacht, dass wir so zusammenkommen', sagte Hoke. 'Wir sind immer noch Wettbewerber."
Der Führungsfrage wichen die Manager aus. Auf der ILA wurde bisher vor allem Geschlossenheit demonstriert.
Auch im Hinblick auf die Exportpolitik wird es Diskussionen geben. Ein Rüstungsprojekt solcher Dimension braucht Kundschaft, damit sich die hohen Entwicklungskosten rechnen. Die Bestellungen aus Deutschland und Frankreich dürften kaum reichen, um den Kampfjet kostengünstig zu produzieren.
Die offiziell restriktiven deutschen Waffenexportregeln sind den Franzosen ein gehöriger Dorn im Auge. Die Franzosen verkaufen ihre Rafale-Jets auch an Länder wie Ägypten und Katar - und pochen auch für den künftigen gemeinsamen Jet auf gewisse Spielräume.
Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, mahnt zu vorausschauender Planung:
Im ethischen und rechtlichen Bereich sind mehr Fragen offen als geklärt. Ich kann dem Ministerium nur raten, wenn man technisch was entwickelt, diese Fragen während der Entwicklung schon zu bearbeiten und auch zu sagen, wenn man etwas nicht machen will oder kann," zitiert die tagesschau.
Weichenstellung Deutschlands bei Tornado-Ersatz
Am Donnerstag vereinbarten beide Länder die militärischen Anforderungen an den Kampfjet - der erste Planungsschritt. Im Juni soll dann ein Fahrplan folgen. Der neue Kampfjet-Projektname Future Combat Air System, FCAS - wird erst in Jahrzehnten abheben, in Paris wird das Jahr 2040 genannt. Deshalb muss die Bundeswehr noch Flugzeuge für die Zwischenzeit anschaffen, um die in die Jahre gekommenen Tornados ab 2025 abzulösen. Im Rennen ist neben dem Eurofighter, an dem Airbus beteiligt ist, das US-Kampfflugzeug F-35 des Airbus-Konkurrenten Lockheed Martin. Airbus warnt seit Wochen, sollte die Bundeswehr sich für die F-35 entscheiden, habe sich auch das deutsch-französische Kampfjetprojekt erledigt. „Der Eurofighter ist die natürliche Brücke hin zum künftigen europäischen Kampfflugzeug", warb auch Volker Paltzo, Chef von Eurofighter Jagdflugzeug, mit Blick auf das französisch-deutsche Projekt auf der ILA. Der Eurofighter könne alle Aufgaben erfüllen, die auch der Tornado erfülle.
Die Veranstalter rechnen mit insgesamt 150.000 Besuchern der noch bis Sonntag laufenden Messe.