In dieser Woche begannen in Brüssel Verhandlungen zwischen der Europäischen Kommission, dem EU-Parlament und dem Rat der EU über eine Verbesserung des Umgangs mit den Brüsseler Lobbyisten, welche auf schätzungsweise 25.000 beziffert werden. Dass sich daran erstmals auch der Rat beteiligt, sollte laut Lobbycontrol aber nicht überschätzt werden. Der gemeinnützige Verein mit Fokus auf Transparenz und Lobbyismus in Berlin und Brüssel kritisiert den Vorstoß als unzureichend, zumal es nicht das erste Mal ist, dass Brüssel sich des leidigen, demokratieschädigenden Themas anzunehmen verspricht. Bereits 2014, vor seinem Amtsantritt als Kommissionspräsident, hatte Jean-Claude Juncker ein verpflichtendes Lobbyregister aller EU-Institutionen versprochen. Doch bisher, also in vier Jahren, ist wenig geschehen.
Zwar ist die EU Berlin mit dem Bestehen eines Lobbyregisters für EU-Kommission und Parlaments weit voraus. Doch ist das Lobbyregister gesetzlich nicht verbindlich und bietet allerhand Schlupflöcher.
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Denn Angaben zu Budgets, Mitarbeitern und Auftraggebern werden unzureichend kontrolliert.
Löchriges Lobbyregister erlaubte Monsanto, fast eine Million Euro Lobby-Ausgaben zu unterschlagen
Dadurch konnte der SaatgutkonzernMonsanto unterschlagen, dass das Unternehmen nicht nur direkte Interessensvertretung betreibt, sondern mit einem Budget von 900.000 Euro pro Jahr über vier Lobbyagenturen Einfluss zu nehmen versucht. Nach der nun stattgegebenen Übernahme durch den deutschen Chemieriesen Bayer wird das Machtverhältnis noch mehr zulassen, dass Konzernvertreter oder -agenturen Politiker unter Druck setzten können.
Und an die Vorgabe, dass Lobbyisten sich nur mit EU-Politikern treffen dürfen, wenn sie sich in das Lobbyregister eintragen, halten sich die Institutionen kaum. Nach Angaben der Expertin Nina Katzemich von Lobbycontrol ist es insbesondere der Rat der EU, der die Staaten repräsentiert und vergleichsweise viel Macht hat, welcher eine verbindlichere Regelung blockiert. Und das wissen auch die Interessensvertreter - mit Blick auf die Verhandlungspapiere der EU- Institutionen bezeichnet Lobbycontrol den Rat als "ein beliebtes Ziel für Lobbyisten".
Im Rat werden Kompromisse zwischen den Staaten ausgehandelt, nationale Industrie-Interessen durchgeboxt und schwächere Staaten unter Druck gesetzt.
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Die als Novum erscheinenden Vorschläge kommen demnach gar einem Rückschritt gleich - die entscheidenden Akteure wie der Ratspräsident, sein Kabinett und die Ständigen Vertretungen der Mitgliedsstaaten sollen sich weiterhin im Verborgenen mit Lobbyisten treffen können. Lediglich die Vertretung des Staates, der den Ratsvorsitz hat - also ein Staat, alle 14 Jahre für ein halbes Jahr - soll eingeschränkt werden, aber auch das nur freiwillig.
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Zudem schlägt die Kommission vor, die Definition von "Lobbyist" einzuschränken, wodurch indirekte, aber machtvolle Einflussnehmer wieAnwaltskanzleien oder Denkfabriken noch weiter aus dem Fokus der Kontrollinstanzen und Bürgerrechtler rücken.
Unrühmlich ist in dem jahrelangen Versuch der Einschränkung des Machtungleichgewichts in der Interessenvertretung in Brüssel gerade die Rolle Berlins - Deutschland hat sich mehrfach gegen Initiativen anderer Staaten für mehr Transparenz gestellt und diese im Rat blockiert.
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Die Gründe dafür, dass sich die Kritik an der EU auch bei Mitgliedsstaaten wie im Falle des "Brexit" sogar bis hin zu strukturellen Loslösung formieren kann wie, werden selbstgerechterweise jedoch nicht in der hausgemachten Unterwanderung zahlreicher Versprechen an die eigenen Bürger gesucht, sondern gern bei externen Sündenböcken - beliebt ist dabei natürlich der Kreml.