Auf ihren Besuch bei Frankreichs Präsidenten Emmanuel Macron folgte für Merkel die beschwerliche Reise nach Polen. Die Zusammenkunft verlief in scheinbar neuer Harmonie. Den Vortritt hatte Merkel dem neuen Außenminister Heiko Maas gelassen. Auch Maas, der letztes Jahr Polen noch scharf kritisiert hatte, sprach sich für neue Beziehungen mit Polen aus. Die zuvor auch regelmäßig aus Berlin geäußerte Kritik an Warschaus Justizreform und der Flüchtlingspolitik will Merkel offenbar Brüssel überlassen.
Seibert: "Hoher Stellenwert des deutsch-polnischen Verhältnisses"
Auf einer Pressekonferenz mit dem polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki sagte Angela Merkel:
[Ich glaube,] dass diese neue Bundesregierung mit neuem Elan an den deutsch-polnischen Beziehungen arbeiten kann. [...] Ich werde alles daran setzen, und das gilt für die ganze Bundesregierung [...], dass wir in Europa eine gemeinsame Agenda haben. Der Schlüssel für die Zukunft der EU ist es, ihre Einheit zu wahren.
Der Regierungssprecher Steffen Seibert hatte im Vorfeld gesagt, dass Angela Merkel mit der Reise zum Ausdruck bringen wolle, "wie hoch der Stellenwert des deutsch-polnischen Verhältnisses" ist.
Polen will bei Justiz und Flüchtlingen standhaft bleiben
In Bezug auf das zwischen Deutschland und Polen strittige Thema der Flüchtlingspolitik zeigte sich Merkel optimistisch, dass ein Kompromiss gefunden werden kann. Polen, Ungarn und Tschechien lehnen es ab, Flüchtlinge nach EU-Vorgabe aufzunehmen. Aus Brüssel wurde deshalb bereits eine Klage eingereicht. Auch die Justizreform Polens ist weiterhin ein schwieriges Thema. Brüssel fürchtet, dass die Unabhängigkeit der Justiz Polens nicht mehr gewahrt sein wird, Warschau betrachtet die Reform hingegen gerade als Voraussetzung einer solchen. Morawiecki aber ist sich sicher, dass die Sorgen der EU deshalb bald zerstreut werden und er alle Bedenken aus dem Weg räumen kann. Er sagte hierzu:
Wir sind überzeugt davon, dass die Reformen notwendig sind und zur Unabhängigkeit und Objektivität des Justizwesens beitragen.
Auf dem Spiel für Polen steht der Verlust des EU-Stimmrechts. Zurücknehmen will Polen die Reform nicht. Einig war man sich in der Verteidigungspolitik und in der Einschätzung, dass Russland hinter dem Fall Skripal steckt.
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