Mal eben von Berlin nach Barcelona umziehen oder von Sofia nach Stockholm: Die Europäer werden auf der Suche nach guten Jobs immer mobiler. Rund 17 Millionen EU-Bürger leben und arbeiten in einem anderen Mitgliedsland der Europäischen Union - mehr als doppelt so viele wie vor zehn Jahren. Weitere 1,4 Millionen pendeln täglich über die Grenze zu ihrem Job. Aber längst nicht immer läuft für die Arbeitsnomaden im grenzenlosen Europa alles glatt.
Die EU-Kommission will am Dienstag Pläne vorstellen, um, wie es aus Brüssel heißt, die mobilen Arbeitnehmer besser zu unterstützen und Sozialstandards in Europa abzusichern. Das passt zur Ansage von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der nach Meinung linker Kritiker "neoliberalen" Wirtschaftsmacht EU ein "sozialeres" Antlitz zu verpassen. Allerdings wecken die Vorhaben seiner Kommission durchaus auch Skepsis.
Was will Brüssel?
Juncker hatte es im September in seiner Rede zur Lage der Union bereits angekündigt, nun macht sich Sozialkommissarin Marianne Thyssen an die Umsetzung: Eine Europäische Arbeitsbehörde soll künftig die Einhaltung von Regeln und Standards in Europa überwachen. Die neue Agentur namens ELA - nach dem englischen Begriff European Labour Authority - soll wie die europäische Bankenaufsicht etwa 150 Mitarbeiter bekommen, wie Thyssen der Welt am Sonntag sagte.
Die Europäische Arbeitsbehörde wird das Leben der Menschen einfacher machen, wenn sie eine neue Arbeit im Ausland beginnen", versprach die Belgierin.
EU-Bürokraten planen Arbeitsplatzinspektionen
Nach Thyssens Worten soll die neue EU-Institution den nationalen Arbeitsbehörden helfen, grenzüberschreitend besser zusammenzuarbeiten. Mit diesen gemeinsam könnten künftig auch Arbeitsplatzinspektionen organisiert werden, um zu kontrollieren, um zum Beispiel Mindestlohn- und Sozialstandards eingehalten werden. Außerdem soll die neue Agentur über Jobangebote informieren und als eine Art Dienstleister für Arbeitssuchende und Unternehmen dienen, die sich mit unterschiedlichen Regeln der Sozialversicherung in den einzelnen EU-Ländern plagen. Ergänzt werden soll dies demnächst mit einer "Europäischen Sozialversicherungsnummer". Damit könnte man überall in der EU sofort nachweisen, dass man kranken- oder rentenversichert ist.
Wer braucht überhaupt die neue Behörde?
Die EU-Kommission argumentiert, wenn Millionen von einem EU-Land ins andere ziehen, müsse man darauf achten, dass die Regeln eingehalten werden. Die Rechte, um die es geht, sind jedoch unter anderem auch auf EU-Ebene geregelt, zum Beispiel in der Entsenderichtlinie. Diese wird gerade überarbeitet und verspricht künftig unter anderem, dass entsandte Arbeitnehmer vom ersten Tag an so bezahlt werden wie einheimische.
Bisher sind die Rechte der Entsandten nach Gewerkschaftsangaben bei weitem nicht immer gesichert. Mit Tricks wie längeren Arbeitszeiten oder unfairen Abzügen würden etliche von ihnen "ausgebeutet". Die nationalen Behörden kämen bei Kontrollen oft nicht hinterher. Außerdem klappe der Informationsaustausch zwischen den Mitgliedsstaaten nicht. Gebe es zum Beispiel in Deutschland Zweifel am Sozialversicherungsnachweis eines Bauarbeiters aus Südosteuropa, könne eine Auskunft der zuständigen Partnerbehörde Monate, wenn nicht Jahre dauern. Der Europäische Gewerkschaftsbund ETUC begrüßt die Pläne deshalb grundsätzlich.
Wer ist dagegen?
Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände findet ohnehin, dass sich Brüssel zu stark einmischt. Die Reform der Entsenderichtlinie hält sie für unnötig, und auch der neuen Durchsetzungsbehörde erteilt die BDA eine Absage:
Für eine stärkere Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden brauchen wir mit Sicherheit keine neue Mammutbehörde ohne jeden Mehrwert", kritisiert BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter.
Unternehmen würden mit neuer Bürokratie belastet. Brüssel solle nur jene Mitgliedsstaaten gezielt unterstützen, in denen es Defizite in der Durchsetzung von EU-Regeln für mobile Arbeitnehmer gebe.
(dpa/rt deutsch)