Der abrupte Karriereaufstieg zum Generalsekretär der EU-Behörde des deutschen Juristen Martin Selmayr beschäftigt heute die Europaabgeordneten. Zuvor war Selmayr Kabinettschef des Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Das Europaparlament schrieb in einer Pressemitteilung, dass es um "Transparenz, Integrität und Rechenschaftspflicht" gehe. Während die Grünen mehr Transparenz fordern, wollen Sozialisten aus Frankreich, dass sich Juncker rechtfertigt. Nur so könne man das Vertrauen der EU-Bürger bewahren.
Die französische Zeitung Libération schrieb, es handle sich um einen Staatsstreich. Der Journalist von Libération, Jean Qatremer:
(Dies ist) ein brillant ausgeführter Putsch, der dem 47 Jahre alten deutschen Brürokraten fast totale Kontrolle über die EU-Maschinerie gegeben hat."
Bart Staes, belgischer Europaabgeordneter von den Grünen:
Machtergreifung, die einen an Diktaturregime denken lässt."
Sven Giegold, Grünen-Abgeordneter aus Deutschland:
Das Verfahren rückt die gesamte Komission in ein schlechtes Licht."
Der Jurist Martin Selmayr wurde vom Pressesprecher über Wahlkampfmanager zu Junkers Kabinettschef bis ihn dieser am 1. März zum Generalsekretär ernannte. Am 21. Februar bat Alexander Italiener um eine Versetzung in den Ruhestand.
Was Europaabgeordnete aufhorchen ließ ist, dass Junckers Aussage auch Aufschluss darüber gab, dass die Ankündigung Italieners nicht so überraschend gewesen sein kann, denn dieser hatte ihn schon 2015 über den Wunsch drei Jahre später in den Ruhestand zu gehen, informiert. Dennoch ernannte er Selmayr erst zum Vize-Generalsektretär und dann gleich mit der offiziellen Bekanntmachung von Italieners Ruhestandsgesuch zum Generalsekretär.
Neben Juncker soll auch EU-Kommissar Oettinger, Zuständiger für Personalpolitik Aufschluss über den rasanten Aufstieg zum "Fall Selmayr" geben. Oettinger wies daraufhin, er habe nichts von den Plänen zu Selmayrs Ernennung gewusst, aber es sei deshalb so schnell erfolgt, weil Alexander Italiener, zurückgetreten sei und der Posten besetzt werden musste. Im Internet wird der "Fall Selmayr" unter #selmayrgate diskutiert. Selmayr wird in den sozialen Medien als "Rasputin" und "Juncker Monster" bezeichnet.
Selmayr war der einzige Bewerber für den Posten des Vize-Generalsekretärs. Zuvor hatte er für die im Januar ausgeschriebene Stelle ein Bewerbungsverfahren durchlaufen. Juncker betont, dass alle Regeln eingehalten wurden. Zweifel an Selmayrs Qualifikationen hegt niemand. Im Gegenteil, er gilt als sehr qualifiziert und brillant. Man traut ihm zu viel zu.