von Marinko Učur
Im Gespräch mit RT Deutsch behauptet Dr. Anton Bebler, guter Kenner der lokalen Begebenheiten und in Moskau geborener Professor für Politikwissenschaft, dass Russland neben der traditionell guten Beziehungen zu Serbien auch einem anderen orthodoxen Land, nämlich Griechenland, nahesteht. Er betont, dass die offiziellen politischen Strukturen in Moskau die Balkanregion als eine befreundete Region ansieht, ungeachtet der Differenzen in einigen Fragen, vor allen in Verbindung mit der selbsterklärten Unabhängigkeit der serbischen Provinz Kosovo und der Lage in der Ukraine.
Eine ähnliche Stellungnahme gab der russische Außenminister Sergei Lawrow ab, der am Vorabend der kleinen Balkantour gegenüber der serbischen Nachrichtenagentur Beta die offizielle Haltung Moskaus wiederholte:
Unsere Präsenz auf dem Balkan ist in erster Linie konstruktiv. Wir machen uns keine Sorgen um die Länder, wie etwa China, Türkei und sonstige Staaten, die ein Interesse an der Weiterentwicklung der Kooperation mit den Balkanländern zeigen. In Zeiten der Globalisierung sehe ich keine Hindernisse für Kooperation. Mit der Weiterentwicklung unserer Zusammenarbeit folgen wir der gleichen Logik. Washington und einige europäische Staaten entsenden ihre Gesandtem auf den Balkan, um ein konkretes Ziel zu verfolgen: Befreundet euch nicht mit Russland, lehnt jede Art von Zusammenarbeit mit Russland in jedem Bereich ab.
Während des eintätigen Besuchs in Ljubljana verhandelte Lawrow mit Außenminister Karl Erjavec und Präsident Borut Pahor. Bei dieser Gelegenheit wurde in Maribor ein Memorandum über die Gründung eines Internationalen Zentrums zur Erforschung des Zweiten Weltkrieges unterzeichnet, welches, wie im Dokument betont, von Russland aufgrund der "Erhaltung des historischen Gedenkens an den gemeinsamen Kampf der Völker Russlands und Sloweniens gegen den Nationalsozialismus und Faschismus" finanziert wird.
Nichtsdestotrotz war das Hauptziel des Außenministers auf seiner Balkantour Belgrad, wo er als gern gesehener Gast begrüßt wurde, der die serbische Position auf dem westlichen Balkan gut versteht. Auf der anderen Seite hat Serbien, in Anerkennung der prinzipiellen russischen Position, diese Gelegenheit genutzt, um sich für die Unterstützung Russlands zu bedanken, insbesondere in Bezug auf die territoriale Integrität und die Ablehnung der selbsterklärten Unabhängigkeit der serbischen Provinzen Kosovo und Metohija.
Die Serben hören sehr gerne den Verweis auf die UN-Resolution 1244, die Lawrow als einzige wirkliche Grundlage für ein Gespräch zwischen Serbien und der albanischen Bevölkerung erwähnte, die dank des Westens zwar ihre Unabhängigkeit von Serbien erklärte, aber von fünf Staaten der Europäischen Union nicht anerkannt wurde.
Ich glaube, es wird Druck geben, unsere Haltung gegenüber Russland zu ändern, aber Serbien wird seine traditionellen Beziehungen zu Russland respektieren und an ihrer Weiterentwicklung arbeiten. Wir sind ein unabhängiges Land, und wir treffen unsere Entscheidungen selbstständig, ob es jemandem gefällt oder nicht." - "Es ist eine moralische Verpflichtung, zu respektieren, was unsere Völker in diesen 180 Jahren seit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Serbien und Russland aufgebaut haben. Serbien wird keine Sanktionen gegen die Russische Föderation verhängen. Wir hoffen, dass wir in dieser Frage zu einem Verständnis der EU kommen werden", sagte der serbische Präsident Aleksandar Vučić nach dem Treffen mit Lawrow und überbrachte ihm eine offizielle Einladung für Präsident Putin, Serbien so bald wie möglich zu besuchen.
Auf der anderen Seite hat Lawrow die Bemühungen Belgrads unterstrichen, seine Beziehungen nicht nur mit der EU, sondern auch mit der Organisation der eurasischen Zusammenarbeit zu entwickeln. Worauf die lokale Öffentlichkeit und die Medien besonders aufmerksam achten, ist die russische Haltung gegenüber der selbsterklärten Unabhängigkeit, die die Kosovo-Albaner im serbischen Teilgebiet von Kosovo und Metohija ausgerufen haben. Bei dieser Gelegenheit wurde die bekannte Position Russlands bekräftigt, die die Bemühungen um den Dialog zwischen Belgrad und Priština begrüßt, verbunden mit der Einschätzung, dass dieser Dialog die Umsetzung des Abkommens über die Schaffung einer Gemeinschaft der serbischen Gemeinden oder eines Sondergerichts für die durch die UÇKverübten Kriegsverbrechen nicht sichergestellt hat.
Anstatt der Erwartung, dass Russland den Kosovo anerkennt, damit Serbien nach Meinung des Präsidenten der Kosovo-Albaner Hashim Thaçi die "falsche Mythologie" aufgibt, wäre es logischer, dass die USA und Großbritannien die Anerkennung des Kosovo zurückzuziehen, was die großalbanische Rhetorik, die die größte Bedrohung für die Region ist, eindämmen würde ", so der serbische Außenminister Ivica Dačić.
"Ich hoffe, dass Brüssel und der NATO die Gefahr der Vernachlässigung einer solchen Stimmung in Priština begreifen werden", so Außenminister Lawrow, der zudem betonte, dass "Russland nicht tatenlos zusehen wird, wenn Serbien die Beteiligung Moskaus am Dialog zwischen Belgrad und Priština fordert", insbesondere, wenn die Albaner die Beteiligung der Vereinigten Staaten im Friedensprozess fordern werden.
Die Aufmerksamkeit der Journalisten, insbesondere der westlichen Medienkorrespondenten in Belgrad, richtete sich bei dieser Gelegenheit auf den Status des Russisch-Serbischen Humanitären Zentrums in Niš, von dem ungerechtfertigterweise befürchtet wird, dass es sich um eine Art militärische Einrichtung handelt. In einer Situation, in der sich weiter südlich der amerikanische Militärstützpunkt Bondsteel im Kosovo befindet, ist es völlig unbegründet, dem Zentrum in Niš außer der humanitären eine andere Bedeutung zuzumessen. Schließlich können einige Mitarbeiter dieses Zentrums keine Gefahr darstellen, wovon sich auch US-Militärvertreter überzeugen konnten, als sie das Zentrum besichtigten, das als Logistikzentrum zur Hilfeleistung vor allem in humanitären und zivilen Einsätzen konzipiert ist.
Der russische Außenminister hat wiederholt, dass die serbisch-russische Zusammenarbeit im militärtechnischen Bereich im Hinblick auf die Absicht der Regierung in Belgrad, seine Streitkräfte - Luftabwehr und militärische Luftfahrt - zu modernisieren, fortgesetzt wird. In Serbien wurde das mit Wohlwollen aufgenommen.
Der russische Außenminister gab an, sich in Belgrad "wie zu Hause" zu fühlen, und kündigte eine Intensivierung der Zusammenarbeit im Bereich Energie und Infrastruktur an. In Bezug auf die erzwungene Wahl zwischen "Russland und der EU" glaubt Sergei Lawrow, dass Serbien Lehren aus der Ukraine-Krise ziehen wird, den Fehler des Regimes in Kiew nicht wiederholt und sich das Recht vorbehält, selbst über die eigene Außenpolitik zu entscheiden.
In Europa herrscht ein ungesundes Klima wegen des Versuchs einiger EU- und NATO-Mitgliedsstaaten, die Konfrontation zu verschärfen, wodurch sie die NATO weiter nach Osten treiben, ohne die Meinung der Bevölkerung in Anspruch zu nehmen, und das betrifft die vergangenen Ereignisse in Montenegro und die momentanen Versuche in Mazedonien und in Bosnien und Herzegowina", beurteilte Lawrow.
Die bilaterale Zusammenarbeit und die gemeinsamen Projekte waren die wichtigsten Themen während des Besuchs von Lawrow in Belgrad, und um die Forderungen einiger NATO-Mitglieder gegenüber Serbien, Mitglied des westlichen Militärbündnisses zu werden, schert sich kaum jemand. Wie auch immer, in diesem Fall würden die Bürger ohnehin das letzte Wort in einem Referendum haben, und wie es jetzt aussieht, sind mehr als 70 Prozent der Serben, die die völkerrechtswidrige Bombardierung ohne UNO-Mandat im Jahr 1999 nicht vergessen haben, gegen die NATO.
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