Am Freitag ist der Deutschlandbesuch von Mateusz Morawiecki zu Ende gegangen. Einer der Programmpunkte des polnischen Ministerpräsidenten war die Veranstaltung der Körber-Stiftung mit dem Titel "In pursuit of Europe's future. Between Polish and German identity", zu Deutsch: "Streben nach Europas Zukunft. Zwischen polnischer und deutscher Identität".
Die Körber-Stiftung lud großzügig zum Event ein: Auch die Redaktion von RT Deutsch erhielt eine freundliche Einladung zur Begegnung mit Morawiecki im Berliner Humboldt Carré und entsandte einen motivierten Redakteur. Zu den Abläufen gehörte unter anderem das Versprechen der Veranstalter, dass sich der Regierungschef im Anschluss an seine Rede den Fragen des Publikums stellen wird.
Gleiche Chancen für geladene Pressevertreter?
Wie sich dann herausstellte, war damit lediglich gemeint, dass drei im Voraus bestimmte Fragesteller im Publikum sitzen werden, die am Ende der Veranstaltung von der Moderatorin auf dem Podium namentlich und gezielt aufgerufen werden, damit sie ihre vorher zurechtgelegten Fragen stellen können. Auf diese Weise verhinderten die Organisatoren galant jede Möglichkeit, den Gesprächsdiskurs etwas zu demokratisieren, und vermieden somit jegliche unerwartete Komponente. Stattdessen bekam Morawiecki die Gelegenheit, seine Ansichten zum "Krieg, den Russland im Jahr 2008 gegen Georgien entfachte", sowie zum "Krieg gegen die Ukraine, der wenige Jahre später folgte", uneingeschränkt und unwidersprochen zum Ausdruck zu bringen.
Sollte das deutsch-russische Energieprojekt Nord Stream 2 realisiert werden, würde die von der Russischen Föderation ausgehende Kriegsgefahr für die Ukraine massiv zunehmen, so Morawiecki am Freitag. Sobald die Russen ihr Gas unmittelbar über die Ostsee-Route nach Deutschland liefern könnten, würde die Pipeline in der Ukraine obsolet, und Kiew wäre Moskau vollkommen ausgeliefert, ergänzte der polnische Regierungschef.
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Eine Frage von RT Deutsch - die jedoch nicht gestellt werden konnte - wäre gewesen, wie die polnische Führung gedenkt, Deutschland bezüglich dieses bilateralen, deutsch-russischen Milliardenprojekts umzustimmen. Besonders im Hinblick auf die Beteuerungen eines scheinbar engen wirtschaftlichen und politischen deutsch-polnischen Verhältnisses ist diese Frage essentiell.
Des Weiteren konterte der ehemalige Wirtschafts- und Finanzminister Polens Fragen der Moderatorin zur Implementierung des Artikels 7 durch die Europäische Kommission gegen sein Land, indem er auf das sogenannte "weiße Dokument" hinwies, das zurzeit von einem polnischen parlamentarischen Ausschuss angefertigt wird. Dieses Dokument soll allem Anschein nach überzeugende Kompromisse beinhalten, die in circa zwei Wochen an die Kommission herangetragen werden. Aufgrund der "Gefahr für die Rechtsstaatlichkeit Polens", die laut EU von einigen Maßnahmen der Regierung ausgeht, leitete die Kommission ein Sanktionsverfahren gegen Polen ein. Polen verabschiedete eine überfällige Justizreform, die in der EU sowie im Inland kontroverse Diskussionen auslöste.
Zwar bemängelte der polnische Regierungschef, dass Europa in seiner Verteidigungs- und Sicherheitsstruktur unter einer "Pax Americana" stehe, zugleich jedoch lamentierte er das verlorene deutsche Vertrauen in die Führungskraft der USA. Er plädiert für eine "Pax Europa", das in Zukunft eigenständig agieren können soll. Außerdem attestiere er der deutschen Führung zu großes Vertrauen in die Russische Föderation und ihren Präsidenten Wladimir Putin, was ihn dazu bringe, "sich an den Kopf zu fassen".
"Ironie des Schicksals"
Wie eine russische Komödie aus dem Jahr 1975 bereits zeigte, kann man von einem entfernten Ort an einen anderen gelangen, ohne sich bewusst zu sein, dass eine erhebliche Veränderung eintrat. Etwas Ähnliches könnte am Freitag geschehen sein: Nachdem Morawiecki nach einem Gespräch mit der Welt nun auch bei seinem Auftritt bei der Körber-Stiftung am Freitag vor den Tücken und Gefahren von Nord Stream 2 warnte, war nur wenige Stockwerke über ihm einer der internationalen Sitze des russischen Erdgasförderunternehmens Gazprom beheimatet. Ob der polnische Politiker sich dieser geografischen Nähe zum verfemten Unternehmen bewusst war, bleibt fraglich. Dass die Körber-Stiftung sich bei der Organisation des Events nicht über diese Ironie im Klaren war, ist nur schwer vorstellbar.
Ein echter Zufall scheint es jedoch zu sein, dass die Freitagsveranstaltung der Körber-Stiftung - mit Morawiecki als Gast - am Tag vor dem 25-jährigen Jubiläum des Bestehens von Gazprom stattfand.
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