Für den polnischen Ministerpräsidenten Mateusz Morawiecki sowie den Rest Polens ist der 9. Januar ein ereignisreicher Tag gewesen: Um 7.30 Uhr wurden die Anträge für die Entlassung der alten und Ernennung der neuen Minister eingereicht. Um 12.00 Uhr fanden sich die Staatsdiener im Warschauer Präsidentenpalast ein, um der Vorstellung und Vereidigung der neuen Minister unter Morawiecki beizuwohnen. Später, am Abend desselben Tages, reiste Morawiecki nach Brüssel, um den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, zu treffen.
Anhänger von Verschwörungstheorie zu Smolensk muss gehen
Wichtige Ministerien verloren ihre bisherigen Leiter, darunter das Verteidigungsministerium mit Antoni Macierewicz und das Außenministerium mit Witold Waszczykowski. Macierewicz galt nicht nur im Inland als kontroverser Verteidigungsminister: Er war insbesondere bemüht, eine Neuauflage der Untersuchungskommission in der Causa des Flugzeugabsturzes bei Smolensk im Jahr 2010 ins Leben zu rufen. Bei diesem Flugzeugabsturz sind der damalige Präsident Polens, Lech Kaczyński, und 95 weitere zum Teil namhafte polnische Repräsentanten aus Politik, Kultur und Religion umgekommen.
Nach Macierewiczs Überzeugung war dieser Vorfall ein vorsätzlicher Anschlag, unter anderem witterte er Elemente aus der Russischen Föderation hinter diesem. Inwieweit seine Idee einer neuen Smolensk-Untersuchungskommission von der Regierung in Zukunft weiterverfolgt werden wird, ist ungewiss. Macierewicz selbst war nicht anwesend bei dem Procedere der Entlassungen und Ernennungen der Minister am Dienstag im Präsidentenpalast.
Des Weiteren verließ der bisherige Innenminister Mariusz Błaszczak seinen Posten. Jedoch nur, um das Verteidigungsministerium zu übernehmen, in dem Macierewicz zuvor beheimatet war. Błaszczak gilt - obwohl er nicht die besten Beziehungen zu Morawiecki pflegen soll - laut dem Nachrichtenportal gazeta.pl als "hörige Vertrauensperson" von Jarosław Kaczyński, dem Parteivorsitzenden der Regierungspartei, Prawo i Sprawiedliwość (PiS), zu Deutsch: Recht und Gerechtigkeit.
Witold Waszczykowski als ehemaliger Außenminister verabschiedete sich bereits am Freitag von seiner Belegschaft, weshalb die Übernahme seines Postens durch den bisherigen Vize-Außenminister, Prof. Jacek Czaputowicz, am Dienstag niemanden mehr überraschte. Die Ernennung von Czaputowicz zum Chef-Diplomaten ist selbst in der Oppositionspartei Platforma Obywatelska (PO) auf Lob gestoßen.
Der ehemalige Verteidigungsminister und spätere Außenminister Polens, Radosław Sikorski, twitterte:
Minister Czaputowicz ist ein Patriot noch aus Zeiten des Kampfes gegen den Kommunismus, und ein Beamter, der das Außenministerium kennt. Mögen die innenpolitischen Änderungen ihm ermöglichen, eine wirksamere Auslandspolitik zu führen.
Protagonist islamkritischer Gebetsaktion wird Innenminister
Błaszczaks Nachfolge im Innenministerium übernahm wiederum Joachim Brudziński. Der Politologe, gewählt in einem Stettiner Wahlkreis, war zuvor Vize-Parlamentspräsident des polnischen Sejm. Seine Hauptthemen waren bis dato die Schifffahrt und Fragen nationaler Minderheiten. Er gilt als islamkritisch und war einer der Redner im Rahmen der groß angelegten Gebetsaktion an den polnischen Grenzen zum Rosenkranztag am 7. Oktober des Vorjahres.
Die Entlassung des bisherigen Umweltministers Jan Szyszko galt bereits im Voraus als sicher. Henryk Kowalczyk hat am Dienstag Szyszkos Nachfolge angetreten.
Neuer Gesundheitsminister wurde Łukasz Szumowski. Als Professor der Medizin und praktizierender Kardiologie sind sich viele seiner Kollegen einig über seine Kompetenz für das neu bezogene Ministerium. Konstanty Radziwiłł war sein unmittelbarer Vorgänger.
Wichtig bleibt anzumerken, dass der Ministerposten, den Mateusz Morawiecki vor seiner Ernennung zum Regierungschef innehatte - nämlich Minister der wirtschaftlichen Entwicklung und der Finanzen - bis zum 9. Januar 2018 weiterhin von ihm selbst ausgeübt worden ist. Allerdings hat er den Posten im Wege der Regierungsumbildung nunmehr in zwei separate Ministerien aufgeteilt. Das neu geschaffene eigenständige Finanzministerium übernahm am Dienstag Teresa Czerwińska. Das ebenfalls neu entworfene Ministerium für Investitionen und wirtschaftliche Entwicklung bekleidet künftig Jerzy Kwieciński.
Wer durfte bleiben?
Der Mann, der die in der EU umstrittene Gerichtsreform anführt, Justizminister Zbigniew Ziobro, behielt seinen Posten. Weitestgehend kann das als Signal nach außen dahingehend gedeutet werden, dass die polnische Regierung ihre Reformpolitik im Justizwesen unbeirrbar fortsetzen werde. Gleichzeitig würde das bedeuten, dass die polnische Führung der Europäischen Kommission keine Zugeständnisse machen wird und es damit tatsächlich zu einer Zuspitzung hin zu jener EU-Mitgliederabstimmung kommen dürfte, über die RT Deutsch bereits berichtete.
Es gab auch noch weitere Verwaltungsspitzen, die ihr Amt behielten, wie der Minister und Koordinator der Geheimdienste, Mariusz Kamiński. Kamiński ist gleichzeitig Vize-Vorsitzender der Regierungspartei PiS, somit einer der wichtigsten Männer in der Regierungselite neben Jarosław Kaczyński.
Konsequenzen und Prognosen
Bereits am selben Tag konnte der polnische Regierungschef seine Entscheidungen in Brüssel darlegen, erläutern und begründen: Morawiecki traf am Dienstagabend den Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker. Thema soll dabei vor allem das Rechtsstaatsverfahren gewesen sein.
Wie bereits erwähnt, wird die in der EU-Führung vernommene vermeintliche "Gefährdung der polnischen Rechtsstaatlichkeit" in Form der fortlaufenden Gerichtsreform Polens weiter ein Thema bleiben. Die von Brüssel geplante Finalisierung eines Vorgehens gegen Polen nach Artikel 7 durch die EU könnte in dem Falle jedoch scheitern, da Ungarn als vollwertiges EU-Mitglied gegen eine Sanktionierung Polens stimmen dürfte. So würde ein erster Disziplinierungsversuch seitens der EU scheitern. Der polnische Präsident Andrzej Duda, aber auch der Regierungschef Morawiecki selbst, sein Justizminister Ziobro sowie der Parteivorsitzende Jarosław Kaczyński sind sich in dieser Frage alle einig: Die Gerichtsreform soll wie geplant stattfinden.
Auch in der Frage der Flüchtlingskrise und der von der EU aufgetragenen Aufnahmequote von Geflüchteten ist keine signifikante Änderung der polnischen Linie zu erwarten.