Heimaturlaub trotz Krieg? Ukrainer reisen massenhaft für Ferien zurück

Zehntausende Ukrainer mit Schutzstatus reisen über Weihnachten in ihre Heimat zurück. Möglich wird dies durch ein System ohne Kontrolle und ohne individuelle Prüfung. Der Widerspruch zwischen Fluchtgrund und Rückreise untergräbt die Glaubwürdigkeit und Akzeptanz staatlicher Hilfe.

Von Hans-Ueli Läppli

An den polnisch-ukrainischen Grenzübergängen kam es über die Feiertage zu kilometerlangen Staus. Wartezeiten von bis zu 24 Stunden wurden gemeldet.

Der Grund war nicht eine Evakuierung, sondern das Gegenteil: Zehntausende ukrainische Staatsbürger reisten für Weihnachten und den Jahreswechsel in ihr Herkunftsland zurück. Das berichteten mehrere Medien unter Berufung auf Grenz- und Polizeidaten.

Politisch bedeutsam ist der Vorgang insofern, als er die Voraussetzungen des geltenden Schutzstatus berührt. Dieser basiert auf der Annahme einer ernsthaften Gefahr im Herkunftsland.

Dieser Status wird pauschal gewährt, ohne individuelle Asylprüfung, und ist mit umfangreichen Sozialleistungen verbunden.

Die Rückreisen verändern nicht den Charakter der Personen, wohl aber die Logik des Schutzsystems. Wird Schutz faktisch reversibel, verliert er seine klare Abgrenzung gegenüber regulärer Mobilität. Die Kategorie der Flucht wird damit funktional neu interpretiert.

Besonders deutlich wird dies durch die staatliche Praxis. Rückreisen bleiben folgenlos. Es gibt keine systematische Erfassung, keine automatische Überprüfung, keinen Widerruf von Leistungen.

Wer ausreist, kann in der Regel problemlos zurückkehren und erhält weiterhin Bürgergeld, Unterkunft und Krankenversicherung. Der Staat verzichtet bewusst auf Kontrolle.

Damit entsteht ein Strukturproblem. Nicht auf der individuellen Ebene, sondern auf der systemischen. Die rechtliche Konstruktion des Schutzstatus wird von der Lebensrealität entkoppelt.

Das Asylrecht wird faktisch in ein Aufenthaltsrecht mit Rückkehroption überführt, ohne dass dies politisch offen benannt oder rechtlich neu geregelt wird.

Statt einer sachlichen Klärung herrscht regulatorische Unschärfe. Der Staat verzichtet darauf, Rückreisen systematisch einzuordnen und rechtlich zu bewerten. Damit bleibt offen, wann Schutz greift und wann er endet. Diese Unbestimmtheit schwächt das Vertrauen in ein Instrument, das auf Verlässlichkeit angewiesen ist.

Die Feiertagsstaus an der Ostgrenze sind deshalb kein Randphänomen, sondern ein Symptom.

Sie zeigen, dass die Flüchtlingspolitik mit einer Realität konfrontiert ist, für die sie keine klaren Antworten mehr hat. Und sie verdeutlichen, dass Großzügigkeit ohne Kriterien langfristig nicht stabil ist.

Nicht weil Hilfe falsch wäre. Sondern weil sie ohne klare Regeln ihre eigene Grundlage verliert.

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