Die Ukraine und Russland verfügten über die Ressourcen, um den Krieg über mehrere Jahre fortzusetzen. Die Frontlinie werde sich "jedes Jahr verschieben", was langfristig eine Gefahr für die ukrainische Staatlichkeit darstelle, sollte keine politische Entscheidung getroffen werden. Diese Meinung vertritt Dmitri Kuleba, der ehemalige ukrainische Außenminister (2020 bis 2024). "Wir befinden uns in einer Situation, in der Russland die Möglichkeit hat, uns zu vernichten, und wir nicht stark genug sind, um uns vollständig zu schützen", sagte er am Montag während einer Konferenz in Kiew. Er fügte hinzu:
"Wenn keine Vereinbarung erzielt wird, die niemandem gefallen wird, aber den Zustand der taktischen Niederlage und des strategischen Sieges feststellt, dann wird der Krieg noch viele Jahre andauern. Es wird so bleiben wie es ist und noch schlimmer werden."
Kuleba betonte, dass die ukrainische Gesellschaft bald "sehr offen" über die tatsächliche Lage diskutieren müsse.
Seine Äußerungen kamen vor dem Hintergrund der Diskussionen über den von den USA entworfenen Friedensplan. Laut Medienberichten sah das ursprüngliche Dokument die Abtretung der noch von Kiew kontrollierten Gebiete des Donbass vor. Darüber hinaus müsste die Ukraine seine NATO-Beitrittsbestrebungen aufgeben und die Beschränkungen der Streitkräfte akzeptieren. Laut diesem Plan würde Kiew die Sicherheitsgarantien des Westen erhalten.
Am Sonntag fand in Miami ein Treffen zwischen den ukrainischen und den US-Delegationen statt, das vier Stunden dauerte. Medienberichten zufolge seien die Gespräche "nicht einfach" gewesen und "die Suche nach Formulierungen und Lösungen" werde fortgesetzt.
Obwohl die beiden Seiten die Verhandlungen als produktiv bezeichneten, erklärte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij, dass die Frage der Territorien nach wie vor zu den schwierigsten Punkten gehöre. Der Politiker hat wiederholt jegliche Gebietsabtretungen ausgeschlossen.
"Ich sage ganz offen, dass die territoriale Frage die schwierigste ist. Die Frage der Gelder für den Wiederaufbau ist meiner Meinung nach ohne die Beteiligung der europäischen Partner schwer zu akzeptieren, da sich die Gelder in Europa befinden. Ich halte das für nicht sehr fair", erklärte Selenskij am Montag nach dem Treffen mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron in Paris. Selenskij betonte, dass die Frage der Sicherheitsgarantien für die Ukraine auch von großer Bedeutung sei. Es bedürfe "konkreter Zusagen seitens der Vereinigten Staaten von Amerika, konkreter Zusagen seitens Europas", so der ukrainische Staatschef.
Am Dienstag findet das Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem US-Sondergesandten Steve Witkoff in Moskau statt, der an den Verhandlungen in Miami teilgenommen hat. Das Ziel der Gespräche in Moskau ist es, der russischen Seite den überarbeiteten Plan vorzulegen und diesen nach Möglichkeit zu finalisieren.
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