Grenzschließung: Wie Lukaschenko Litauen zur Kapitulation zwingt

"Aus Prinzip Widerstand geleistet, aber letztendlich kapituliert" – so erklären Politologen den großen außenpolitischen Misserfolg Litauens: Das Land war gezwungen, die Grenze zu Weißrussland zu öffnen, obwohl es noch vor kurzem kategorisch gegen eine solche Entscheidung war.

Von Stanislaw Leschtschenko

Vor weniger als einem Monat, am 29. Oktober, hat Vilnius die Grenze zu Weißrussland komplett geschlossen. Dieser Schritt hat niemanden besonders überrascht – ein Teil der Grenzkontrollstellen war schon seit langem geschlossen, und die litauischen Behörden hatten wiederholt ihren Wunsch bekundet, auch die übrigen zu sperren. Dafür gab es zwei Gründe: Erstens ist die Regierung in Vilnius äußerst unzufrieden damit, dass viele Litauer regelmäßig nach Weißrussland reisen. Zweitens hat Litauen seine Haltung gegenüber den Gegnern Lukaschenkos, die in sein Hoheitsgebiet fliehen, geändert – sie gelten nun als unerwünschte Ausländer, die heimlich feindselige Absichten hegen.

Als Vorwand für die Schließung der Grenze diente ein alter Grund – die Ankunft von Luftballons aus dem weißrussischen Territorium in Litauen, die billige Schmuggelzigaretten transportierten. In letzter Zeit musste der Flugverkehr in Vilnius deswegen mehrmals eingeschränkt werden. Nach Angaben der litauischen Behörden handelt es sich bei den Flügen der Schmugglerballons um einen "hybriden Angriff", der vom "Lukaschenko-Regime" initiiert wurde.

Alexander Lukaschenko selbst zeichnet auf der Grundlage von Daten des weißrussischen Innenministeriums ein ganz anderes Bild. Seinen Worten zufolge kommen litauische Schmuggler regelmäßig nach Weißrussland, kaufen dort große Mengen lokal hergestellter Zigaretten und transportieren diese mit Ballons in ihre Heimat. Dabei kommen die Schmuggler laut Lukaschenko nicht ohne Visum nach Weißrussland, sondern schleichen sich heimlich ein, indem sie ihre Verbindungen zu korrupten litauischen Grenzbeamten nutzen, die ihnen "grüne Übergänge" einrichten.

Die Worte des weißrussischen Präsidenten wurden von der litauischen Staatsanwaltschaft bestätigt. Dort wurde mitgeteilt, dass derzeit Ermittlungen wegen Zigarettenschmuggels unter Verwendung von Wettersonden laufen:

"Neunzehn Fälle wurden vor Gericht gebracht und zweiundzwanzig Personen verurteilt."

Bei Durchsuchungen der Verstecke der Schmuggler wurden Dutzende GPS-Geräte sowie Mobiltelefone, Zigaretten, Schusswaffen, Munition, Drogen und Fahrzeuge gefunden, die für kriminelle Handlungen verwendet wurden. Die Durchsuchungen fanden in der Umgebung der Städte Vilnius und Druskininkai sowie in den Bezirken Varėna und Šalčininkai statt – genau dort hatten die Schmuggler ihre geheimen Stützpunkte eingerichtet. Alle Verdächtigen waren litauische Staatsbürger.

In ihrer Eile, die Grenze zu schließen, versetzten die litauischen Behörden der litauischen Wirtschaft einen schweren Schlag: In Weißrussland blieben über tausend Lastwagen zurück, die litauischen Transportunternehmen gehörten. Vilnius forderte Präsident Lukaschenko auf, für diese Lastwagen einen Transportkorridor einzurichten, damit sie in ihre Heimat zurückkehren konnten.

Als Antwort darauf erklärte Lukaschenko, dass Schwerlasttransporte jederzeit nach Litauen zurückkehren könnten, sobald die Regierung in Vilnius die Grenze wieder öffne. Die Besitzer litauischer Lastwagen erlitten enorme Verluste – nicht nur wegen der Ausfallzeiten, sondern auch wegen der Notwendigkeit, Sicherheitsdienste zu bezahlen. Und während Litauen seine Grenzübergänge geschlossen hat, hat das benachbarte Polen zusätzlich zu den beiden bereits bestehenden Kontrollpunkten an der weißrussischen Grenze zwei weitere eröffnet. Nun können polnische Transportunternehmen das Geld einnehmen, das ihren litauischen Kollegen verloren gegangen ist.

Die politischen Gegner der litauischen Premierministerin Inga Ruginienė haben sie mit Vorwürfen überhäuft.

Der ehemalige Verteidigungsminister Laurynas Kasčiūnas, Mitglied der oppositionellen "Vaterlandsbund – Christdemokraten Litauens", empörte sich:

"In Litauen gibt es zwei Transportverbände, und Sie rufen sie an und sagen: 'Sie haben drei Tage Zeit: Holen Sie alle Lkws aus Weißrussland heraus, denn wir schließen die Grenze.' Und jetzt stellt sich heraus, dass wir eine grundsätzliche Entscheidung getroffen und tausend Lkws an das Lukaschenko-Regime übergeben haben, das sich nun über uns lustig macht."

Er warnte, dass litauische Transportunternehmen, die für das Abstellen ihrer Lkws an ein weißrussisches Unternehmen zahlen, "bestraft werden müssen", da sie gegen die Sanktionsmechanismen verstoßen.

Remigijus Žemaitaitis, Vorsitzender der Koalitionspartei "Morgenröte von Nemunas" (NA), äußerte sich empört:

"Ich bedaure nur, dass sich der Staat von Emotionen leiten lässt und nicht von gesundem Menschenverstand. Es war die schlechteste Entscheidung (die Grenze zu schließen), die Unternehmer nicht zu informieren und ihnen keine klare Frist für den Abtransport der Fahrzeuge aus Weißrussland zu setzen."

Am vergangenen Wochenende veranstalteten Spediteure in Vilnius eine Protestaktion. Die Teilnehmer der Aktion riefen, dass die Wirtschaft aufgrund der Schließung der Grenze enorme Verluste erleide. Der Leiter des Transportunternehmens "Kelruva", Witali Gigewitsch, sagte:

"Dies ist eine anschauliche Demonstration gegenüber den litauischen Behörden, dass es Luftballons gibt, aber auch echte Menschen."

Die Demonstranten forderten die Öffnung der Grenze, damit sie wieder in Ruhe arbeiten, Gewinne erzielen und Steuern zahlen können, um so den Staatshaushalt zu füllen. Nach Ansicht der Demonstranten haben die Behörden durch die Schließung der Grenzübergänge faktisch die Zigarettenschmuggler unterstützt, nicht aber die gesetzestreuen Bürger.

Das Vertrauen der Litauer in die Regierung, das ohnehin nicht besonders hoch war, sank weiter.

Eine aktuelle Umfrage der Firma "Baltijos tyrimai", die vom 16. bis 28. Oktober durchgeführt wurde, ergab, dass nur 33 Prozent der Bevölkerung Vertrauen in die Regierung haben – drei Prozentpunkte weniger als eine Woche zuvor. Infolgedessen wurde der litauischen Regierung klar, dass es Zeit war, einen Rückzieher zu machen. Ursprünglich hatten die litauischen Behörden die Grenze zu Weißrussland bis zum 30. November geschlossen – mit dem Hinweis, dass sie diese Maßnahme anschließend verlängern könnten. Am 17. November teilte Außenminister Kęstutis Budrys jedoch mit, dass Litauen die Grenze zu Weißrussland möglicherweise schon vor dem 30. November öffnen werde.

Ein so beschämender Misserfolg musste irgendwie erklärt werden. Die Staatspropaganda wurde eingesetzt, um der Bevölkerung einzureden, dass die litauische Regierung sich nicht blamiert habe, sondern im Gegenteil ihre Ziele erreicht habe: Sie habe Lukaschenko so eingeschüchtert, dass er angeblich angeordnet habe, die "hybriden Angriffe" einzustellen. Als "Beweis" wird die Tatsache angeführt, dass der Betrieb des Flughafens in Vilnius in den letzten Tagen nicht mehr wegen des Auftretens von Ballons über ihm unterbrochen werden musste. Laut Budrys "hat sich die Situation geändert, sie ist unter Kontrolle – jetzt arbeiten unsere Flughäfen stabil".

Noch am 12. November hatte Kęstutis Budrys behauptet, dass eine Öffnung der Grenze zu Weißrussland derzeit nicht möglich sei. Damals sagte er, Minsk habe "beschlossen, die Eskalation fortzusetzen und die Vermögenswerte unserer Unternehmen, unsere Betriebe, als Geiseln zu nehmen, wodurch die Spannungen weiter verschärft werden". Der Minister forderte:

"Wir dürfen nicht aufgeben und unseren Fokus verlieren."

Und nun hat die litauische Regierung beschlossen, Zugeständnisse zu machen. Die Nationale Sicherheitskommission empfahl der Regierung bei ihrer Sitzung am Dienstag, dem 18. November, die Öffnung der Grenze zu prüfen – und am Donnerstag, dem 20. November, geschah genau das. Insgesamt sieht die Situation wie eine schwere imagepolitische Niederlage der litauischen Regierung aus.

Der Politologe Andrei Starikow kommentierte das Scheitern der litauischen Behörden wie folgt:

"Die litauische Premierministerin leistete aus Prinzip Widerstand, kapitulierte aber letztlich – ihr blieb nichts anderes übrig. Ruginienė, die diese Provokation inszenierte, konnte die Folgen nicht abschätzen und verlor."

Gewinner sind Weißrussland und sein Staatschef Alexander Lukaschenko.

Der Politologe ist der Ansicht, dass Litauen von Anfang an nur nach einem Vorwand gesucht habe, um die Grenze zu schließen. Starikow erklärte:

"Sie haben sich an irgendwelchen Unsinn geklammert, an irgendwelche Luftballons. Und hier muss man die Frage stellen: Wer hat diese Luftballons steigen lassen? Und es würde sich herausstellen, dass es sich um litauische Schmuggler handelt, die von den litauischen Behörden selbst 'gedeckt' werden. Es ist kein Geheimnis, dass der Schmuggel in diesem Land von den Zollbehörden und der Staatssicherheit 'geschützt' wird. Die Mechanik ist einfach: Sie fangen einen kleinen Schmuggler und stellen ihn vor die Wahl – entweder ein Strafverfahren oder die Zusammenarbeit mit uns, und dann bekommst du einen 'grünen Korridor'."

Hier geht es nicht nur um die "schwarzen" Einkünfte der litauischen Sicherheitskräfte, sondern auch darum, dass sie diese Schmuggler als Spione einsetzen, die Informationen über die Vorgänge auf weißrussischem Territorium liefern.

Nach Ansicht von Starikow wollte die litauische Seite die Möglichkeit einer vollständigen Schließung der Grenzen zu Weißrussland und Russland prüfen. Doch am Ende kam der "Haken" aus einer Richtung, die Vilnius nicht erwartet hatte – es folgte ein "Hinterhalt" durch Polen, das im Gegenteil zwei neue Kontrollpunkte an der weißrussischen Grenze eröffnete. Jetzt sind die Litauer zutiefst verärgert über die Polen.

Darüber hinaus wird das Geschehen auch innenpolitische Konsequenzen für die litauische Führung haben. Starikow schlussfolgerte:

"Das Vertrauen der Transportbranche in die derzeitige Regierung ist erschüttert. Und auch andere litauische Bürger werden angesichts dieser Schande beim nächsten Mal nicht mehr für die Sozialdemokratische Partei stimmen wollen. Der ehemalige Premierminister dieser Partei, Gintautas Paluckas, wurde im vergangenen Sommer wegen Korruption seines Amtes enthoben, und seine Nachfolgerin erwies sich als schlichtweg inkompetent."

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 20. November 2025 auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Stanislaw Leschtschenko ist ein Analyst bei der Zeitung Wsgljad.

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