Gerichtsurteil: Verlängerte Glyphosat-Zulassungen der EU-Kommission unzulässig

Schlappe für Monsanto und Bayer: Jahrelang reichten Chemie-Konzerne unvollständige Anträge ein, um Ackergifte durch immer wieder verlängerte Sonderzulassungen im Markt zu etablieren. Das hat der EU-Gerichtshof beendet. Die menschliche Gesundheit habe Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen.

Im Falle der umstrittenen Pestizide Glyphosat, Boscalid und Dimoxystrobin verlängerte die EU-Kommission deren ursprünglich befristete Zulassungen mehrfach. Gegen die Zulassungsverlängerungen hatten die drei Umweltschutzorganisationen Pesticide Action Network Europe (PAN Europe), Pollinis und die Aurelia Stiftung bei der EU-Kommission Einspruch eingelegt. Ihre Anträge auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verlängerungen wurden abgelehnt. Daraufhin klagten sie vor dem Europäischen Gerichtshof.

Am Mittwoch gab es eine erstaunliche Wende zum Nachteil von Monsanto und Bayer: Das Gericht gab auf einmal den Umweltschutzorganisationen Recht, berichtete die Fachzeitung Agrarheute am Donnerstag. Mit der Begründung, die EU-Kommission hätte die internen Überprüfungsanträge nicht ablehnen dürfen, hoben die Richter am Mittwoch die Ablehnungsbescheide der EU-Kommission auf. Gemäß EU-Recht hätte die Kommission die Anträge der Umweltschutzorganisationen prüfen müssen. Deswegen seien diese zu Unrecht abgelehnt worden.

Die Wirkstoffzulassungen dürften nicht beliebig verlängert werden, bis die Kommission endgültig darüber entschieden habe, stellte das Gericht der Europäischen Union in seinem Urteil fest. Insofern müsse die Kommission ihre bisherigen Verlängerungsverfahren überarbeiten und habe dabei zu beachten, dass Zulassungsverlängerungen keine Daueroption seien. Dazu kommentierte Agrarheute:

"Besonders deutlich stellt das Gericht klar: Die Verlängerung einer Pflanzenschutzmittel-Zulassung sei eine Ausnahme, keine Regel. Sie dürfe nicht systematisch erfolgen und müsse stets auf den Einzelfall bezogen sein. Zudem dürfe die Dauer der Verlängerung nur so lang sein, wie es zur abschließenden Bewertung notwendig ist. Die bislang übliche Praxis der EU-Kommission, mehrfach kurzfristige Verlängerungen zu gewähren, wurde vom Gericht als rechtswidrig eingestuft."

Im Urteil legte das Gericht zudem fest, bei Verzögerungen der grundsätzlichen Zulassung eines Pestizids sei die Kommission zu einer gründlichen Prüfung verpflichtet, ob das Unternehmen zu einer Verfahrensverschleppung beitrage. Laut PAN Europe ist es nämlich gängige Praxis, durch mangelhafte Daten und strategische Lücken in den Antragsunterlagen Zeit zu gewinnen. Damit wollten Unternehmer die Pestizide länger auf dem Markt halten.

PAN Europe bewertete das Urteil am Mittwoch in einer Presseerklärung. Darin zitierte sie den führenden Chemikalienbeauftragten bei PAN Europe Hans Muilerman:

"Dieses Urteil sollte dazu beitragen, gefährliche Pestizide zu verbieten, die nachweislich gesundheits- und umweltschädlich sind. Es wird der wiederkehrenden Praxis der Pestizidindustrie ein Ende setzen, unvollständige Antragsunterlagen einzureichen, die zu Verzögerungen von bis zu zehn Jahren bei der Neubewertung der Sicherheit von Pestiziden führen. Diese Strategie hält giftige Substanzen noch viele Jahre auf dem Markt, nachdem wissenschaftliche Untersuchungen ihre Toxizität nachgewiesen haben."

Der Gerichtshof habe bekräftigt, so heißt es in der Presseerklärung, dass die Kommission das Vorsorgeprinzip und den Vorrang der menschlichen Gesundheit und des Umweltschutzes wahren muss. Zum Urteil habe sich auch Prof. Antoine Bailleux geäußert, der Rechtsberater von PAN Europe. Ihm zufolge macht das Gericht deutlich, "dass die systematische oder automatische Ausübung ihres Rechts auf Verlängerung der Zulassungsdauer von Stoffen einen Verstoß der Kommission sowohl gegen den Wortlaut als auch gegen den Geist der EU-Pestizidgesetzgebung darstellt, wonach die menschliche Gesundheit und die Umwelt Vorrang vor wirtschaftlichen Erwägungen haben".

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