Nach dem sich ausweitenden Korruptionsskandal im Energiesektor der Ukraine hat das Parlament des Landes Justizminister German Galuschtschenko und Energieministerin Swetlana Grintschuk entlassen. Jeweils eine deutliche Zweidrittelmehrheit stimmte für die Entlassung der beiden Minister. Zuvor hatte die oppositionelle Fraktion "Europäische Solidarität" um Ex-Präsident Petro Poroschenko den Rücktritt der kompletten Regierung gefordert.
Galuschtschenko und Grintschuk waren während der Abstimmung nicht im ukrainischen Parlament anwesend. Zuvor hatten beide nach einer Aufforderung von Präsident Wladimir Selenskij ihre Rücktrittsgesuche eingereicht. Galuschtschenko hatte zuvor den Posten als Energieminister inne, bevor er diesen bei einer Kabinettsumbildung Anfang des Jahres an seine damalige Stellvertreterin Grintschuk abgab.
Beide waren in ein mutmaßliches Schmiergeldnetzwerk innerhalb des staatlichen Kernenergieunternehmens Energoatom verwickelt. In der vergangenen Woche hatten Berichte über Schmiergeldgeschäfte eine politische Krise in der Ukraine ausgelöst. Mit Tuímur Mindistsch floh bereits ein enger Vertrauter von Wladimir Selenskij aus dem Land. Dieser wurde letzte Woche von der vom Westen unterstützten Nationalen Antikorruptionsbehörde (NABU) angeklagt, da er zusammen mit Komplizen mindestens 100 Millionen US-Dollar von Auftragnehmern erpresst haben soll.
Zudem stehen zahlreiche weitere Personen unter Korruptionsverdacht, darunter der ehemalige Verteidigungsminister Rustem Umerow und der ehemalige stellvertretende Ministerpräsident Alexei Tschernyschow. Selenskij sieht sich zudem Forderungen ausgesetzt, seinen Stabschef Andrei Jermak abzusetzen, den Beobachter und kritische Beamte als politischen Dreh- und Angelpunkt des mutmaßlichen kriminellen Netzwerks betrachten.
Selenskijs Partei "Diener des Volkes", die 2019 eine überwältigende Mehrheit errungen hat, hat in den letzten Wochen zudem Anzeichen einer internen Zersplitterung gezeigt. Bereits ein früherer Versuch, die Unabhängigkeit des NABU einzuschränken – ein Schritt, der nach kritischen Reaktionen des Westens wieder rückgängig gemacht wurde –, und der sich nun ausbreitende Skandal haben Berichten zufolge die Loyalität der Abgeordneten gegenüber Selenskijs Team erschüttert.
Vor wenigen Tagen hatte Selenskij vor dem Hintergrund des Korruptionsskandals einen Umbau der Führungsspitze der wichtigsten Energiekonzerne im Land angekündigt. Auf Telegram schrieb er: "Parallel zur vollständigen Überprüfung der finanziellen Tätigkeit muss eine Erneuerung der Verwaltung dieser Unternehmen beginnen." Er habe sich mit Premierministerin Julia Swiridenko "über die nächsten Schritte verständigt".
Mehr zum Thema – Der neue Korruptionsskandal in der Ukraine kommt vielen zugute, nur nicht Selenskij