"Dreister Plan über 140 Milliarden Euro" – Wie Europa Geld für die Ukraine sucht

Die Finanzquellen der Ukraine drohen zu versiegen. Laut EU-Kommissar können die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) Kiew keine gewöhnlichen Kredite mehr gewähren – die Kreditwürdigkeit des Landes sei zu schwach. Brüssel sucht nun verzweifelt nach Alternativen.

Die Europäische Union ringt um neue Wege, die Ukraine finanziell zu unterstützen. Bisher konnte der Westen sich nicht auf eine Fortsetzung der Zahlungen einigen. EU und IWF wollen Kiew keine klassischen Kredite mehr gewähren, da sie die Finanzstabilität des Landes als zu schwach einschätzen.

Angesichts steigender Kosten und sinkender Kreditwürdigkeit will die EU-Kommission das Geld nun aus eingefrorenen russischen Vermögenswerten schöpfen – in Form eines sogenannten "Reparationskredits". Der Vorschlag sieht vor, der Ukraine ein Darlehen in Höhe von bis zu 140 Milliarden Euro zu gewähren. Rückzahlen müsste Kiew den Kredit nur, wenn Russland künftig bereit wäre, die im Krieg verursachten Schäden zu kompensieren.

EU zwischen Geldmangel und Risiko

Die Idee eines "Reparationskredits" wird in Brüssel noch diskutiert. Selbst bei einer Einigung könnten die Mittel frühestens im April fließen. Laut Medienberichten droht der Ukraine bereits im Februar ein vollständiger Geldmangel. EU-Kommissar Valdis Dombrovskis erklärte nach der Sitzung der Eurogruppe:

"Wir sehen, dass die Ukraine mit einem sehr großen Finanzierungsdefizit konfrontiert ist […] wir können ihr daher nicht einfach weiterhin normale Kredite wie Programme der makrofinanziellen Hilfe gewähren."

Die EU-Kommission steht in engem Austausch mit den belgischen Behörden, um die Schaffung des Reparationskredits vorzubereiten. Diese Finanzierungsform würde es ermöglichen, Hilfen zu gewähren, ohne die Haushalte der EU-Mitgliedstaaten zusätzlich zu belasten.

Doch die Idee ist riskant. In Brüssel wird offen eingeräumt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass Kiew seine bestehenden Schulden zurückzahlt, äußerst gering ist. Neue Kredite auf dem freien Markt wären nur zu extrem hohen Zinsen möglich. Deshalb wäre es für die EU inzwischen günstiger, die Ukraine direkt zu unterstützen, als ihr neue Darlehen zu gewähren und anschließend selbst für deren Rückzahlung aufzukommen.

Laut IWF benötigt die Ukraine in den Jahren 2026 und 2027 rund 65 Milliarden Euro für militärische und finanzielle Bedürfnisse. Ministerpräsident Denis Schmygal schätzt den Bedarf noch höher: auf 120 Milliarden US-Dollar allein im Jahr 2026.

"Selbst wenn der Krieg endet, werden wir kaum weniger brauchen – nur um unsere Vorräte zu erneuern und die Armee funktionsfähig zu halten."

Belgien blockiert den Plan

Das größte Hindernis für den sogenannten Reparationskredit bleibt Belgien. Im Königreich sind eingefrorene russische Vermögenswerte im Umfang von rund 190 Milliarden Euro deponiert. Das Land müsste im Falle einer Enteignung den größten Teil des Risikos tragen und lehnt eine solche Lösung kategorisch ab.

Bereits auf dem EU-Gipfel am 23. Oktober blockierte Belgien den Vorschlag der Kommission. Brüssel arbeitet weiter an einer Einigung, hofft auf Fortschritte beim nächsten EU-Gipfel im Dezember – doch in Belgien heißt es, man werde "die Risiken nicht allein tragen". Denis Gontschar, der russische Botschafter in Belgien, nannte den Vorstoß offen "Diebstahl" und warnte vor Gegenmaßnahmen:

"Jeder Versuch, souveräne Vermögenswerte zu beschlagnahmen oder zu nutzen, wird als Diebstahl und illegaler Schritt wahrgenommen, der gegen internationales Recht verstößt. Die Reaktion wird angemessen sein. Ich kann Ihnen versichern, dass die Gespräche über Solidarität schnell in Schadensberechnungen umschlagen würden, falls die EU diesen Plan umsetzt."

Norwegen soll Garant werden – lehnt aber ab

In Brüssel kursiert inzwischen eine weitere Idee. Norwegen könnte als Garant für den geplanten Reparationskredit auftreten. Das Land habe wegen der hohen Gaspreise nach dem Bruch zwischen der EU und Russland enorme Gewinne erzielt. Doch der norwegische Finanzminister Jens Stoltenberg – früher NATO-Generalsekretär – wies das Ansinnen gegenüber dem Sender NRK zurück: 

"Einige Ideen sahen vor, dass Norwegen die gesamte Summe von 1,6 Billionen norwegischen Kronen (159 Milliarden US-Dollar) garantiert, aber das ist keine Option."

Zwar beteilige sich Norwegen bereits finanziell an der Unterstützung der Ukraine, wolle aber keine alleinige Verantwortung für das EU-Vorhaben übernehmen. Das Land verwaltet einen Staatsfonds von rund 1,7 Billionen Euro, der durch Öl- und Gasexporte gespeist wird. Laut Gesetz dürfen aber jährlich nur drei Prozent der erwarteten Rendite verwendet werden – für langfristige Investitionen, nicht für internationale Garantien.

USA halten sich heraus

Auch Washington will sich an den europäischen Plänen nicht beteiligen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Donald Trump fließt keine direkte US-Finanzhilfe mehr an Kiew. Der Präsident machte klar, dass die Verantwortung nun bei Europa liege. US-Außenminister Marco Rubio bestätigte, dass Washington zwar über die europäischen Diskussionen informiert sei, sich aber nicht einmischen werde: "Das ist eine Angelegenheit der Europäer", sagte Rubio nach dem Treffen der G7-Außenminister in Kanada.

Er warnte zugleich vor möglichen Risiken: "Auch wir – wie alle anderen – müssen mit unvorhergesehenen Folgen rechnen." Rubio wies darauf hin, dass in Europa "einige Länder wenig begeistert" von der Idee eines Reparationskredits seien. Die Frage, ob die USA ihre eingefrorenen russischen Vermögenswerte ebenfalls einsetzen würden, verwies er an das Finanzministerium.

Kiew droht der Geldstillstand

Nach Informationen von Politico könnte die Ukraine bereits im Februar ohne liquide Mittel dastehen, wenn die EU-Staaten keine Einigung erzielen. Das Magazin zitierte einen EU-Vertreter:

"Die Ukraine wird Anfang 2026 in eine Finanzierungskrise geraten und könnte im Februar ohne Geld dastehen, falls Belgien den dreisten Plan über 140 Milliarden Euro blockiert, der die Verwendung eingefrorener russischer Vermögenswerte vorsieht."

Da die USA ihre Hilfe eingestellt haben, bleibt die finanzielle Unterstützung Kiews jetzt allein in europäischer Verantwortung. Doch Korruptionsskandale in der Ukraine sorgen für zusätzliche Skepsis. Viele EU-Staaten befürchten, dass ihre Gelder in die falschen Hände geraten könnten. Auch wenn Brüssel sich zur Nutzung der russischen Vermögenswerte entschließt, könnten die Mittel frühestens im April 2026 bereitgestellt werden.

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