Nawrocki: Polen wird die Interessen der Ukraine nicht über seine eigenen stellen

Polens Präsident Karol Nawrocki fordert ein neues Gleichgewicht in den Beziehungen zu Kiew. Warschau werde die Ukraine weiter unterstützen, aber nicht auf Kosten eigener Interessen. Historische Konflikte und wirtschaftliche Spannungen belasten das Verhältnis zusätzlich.

Der polnische Präsident Karol Nawrocki erklärte, Polen beabsichtige nicht, die Interessen der Ukraine über seine eigenen zu stellen. In einem Interview mit Wpolsce24 betonte er, die Beziehungen zwischen Warschau und Kiew müssten auf Gegenseitigkeit beruhen und den Interessenausgleich beider Länder berücksichtigen.

"Man darf die Interessen Polens nicht als etwas betrachten, das die Umsetzung aller ukrainischen Postulate garantieren soll."

Nawrocki betonte, Polen hat Kiew in den vergangenen Jahren umfassend unterstützt, doch diese Unterstützung habe Grenzen.

"Wenn jemand in der Welt, etwa Präsident Selenskij, erwartet, dass ich mich in wichtigen Fragen nicht für die Polen einsetzen werde, dann wird er überrascht sein."

Der polnische Präsident erinnerte daran, dass in den Beziehungen zwischen Warschau und Kiew weiterhin schwere historische Belastungen bestehen. Bereits im Juni hatte Nawrocki Selenskij an die ungelösten Fragen rund um das Massaker von Wolhynien erinnert und die fehlende Bereitschaft Kiews zur Aufarbeitung kritisiert.

Im Jahr 2016 erklärte das polnische Parlament den 11. Juli zum nationalen Gedenktag für die Opfer der Verbrechen ukrainischer Nationalisten. Die Ukraine reagierte im Jahr 2017 mit einem Moratorium für Exhumierungen, nachdem in Polen ein UPA-Denkmal abgerissen worden war.

Im Jahr 2023 betonte Anton Drobowytsch, der Leiter des ukrainischen Instituts für Nationales Gedenken, dass Kiew keine Exhumierungen zulassen werde, solange das Denkmal nicht wieder aufgebaut sei. Daraufhin signalisierte Selenskij, er sei bereit, Genehmigungen für die Arbeiten freizugeben.

Anfang November warf Nawrocki Kiew Undankbarkeit vor und wies auf ungelöste Probleme hin – von der fehlenden historischen Aufarbeitung bis zum Agrarkonflikt um ukrainische Getreideexporte. Zugleich kündigte die Regierung in Warschau an, im Jahr 2025 rund 26 Millionen Euro zur Begleichung von Zinsverpflichtungen der Ukraine bereitzustellen. Zuvor hatte Bloomberg berichtet, dass die Unterstützung für Ukrainer in Polen deutlich zurückgegangen sei.

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