EU-Agrarfonds als Selbstbedienungsladen: Milliardenbetrug erschüttert Athen

Griechenland steht im Zentrum eines der größten Subventionsbetrüge der letzten Jahre. Beamte der Agrarbehörde OPEKEPE sollen über Jahre EU-Gelder in Millionenhöhe veruntreut haben, indem sie fingierte Anträge für nicht existierende Flächen und Viehbestände einreichten. Die Europäische Staatsanwaltschaft spricht von einer "kriminellen Organisation mit klarer Hierarchie".

Ein groß angelegter Betrug mit EU-Agrarsubventionen erschüttert Griechenland. Nach mehrjährigen Ermittlungen wurden 37 Verdächtige festgenommen – darunter Mitarbeiter der staatlichen Agrarbehörde OPEKEPE, die über Jahre illegale Zahlungen erschlichen haben sollen. Der Schaden für den EU-Haushalt wird auf mindestens 19,6 Millionen Euro beziffert, doch die tatsächliche Summe könnte um ein Vielfaches höher liegen.

Nach Angaben der Europäischen Staatsanwaltschaft (EPPO) handelte es sich um eine "systematisch operierende kriminelle Vereinigung", die seit dem Jahr 2018 im ganzen Land aktiv war. Sie nutzte gezielt Lücken im Antragssystem der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP), reichte gefälschte Unterlagen ein und gab landwirtschaftliche Flächen oder Viehbestände an, die nie existierten. Die illegal erworbenen Gelder wurden anschließend über ein Geflecht aus Konten gewaschen und teilweise in Luxusgüter, Reisen und Immobilien investiert.

Der Polizei zufolge wurden die 37 Festnahmen in Thessaloniki, Edessa, Giannitsa, Ioannina, Attika und auf Kreta durchgeführt. Unterstützt wurden die Ermittlungen von der Abteilung für Finanzkriminalität und der Hellenic Financial Intelligence Unit (FIU), die Vermögenswerte der Beschuldigten eingefroren hat. Insgesamt identifizierten die Behörden 324 verdächtige Empfänger von EU-Zahlungen, von denen 42 als aktive Mitglieder der kriminellen Organisation gelten.

Besonders brisant sind die Hinweise auf politische und institutionelle Verflechtungen. Interne Kontrollmechanismen von OPEKEPE versagten offenbar systematisch. Die Rechnungsprüferin Paraskevi Tycheropoulou, die auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen hatte, wurde entmachtet und disziplinarisch bestraft. Einer der Fälle, die nun öffentlich geworden sind, betrifft die Ehefrau eines hochrangigen Beamten: Sie erhielt jährlich 120.000 Euro Subventionen für angeblich 2.600 Olivenbäume – die sich jedoch auf einem Militärflugplatz westlich von Athen befinden.

Ökonomen sehen im Skandal kein isoliertes Ereignis, sondern ein Symptom tieferer struktureller Missstände. "Das politische Modell in Griechenland beruht nach wie vor auf dem Prinzip des Zugangs zu staatlichen und europäischen Geldflüssen", erklärt Theocharis Grigoriadis von der Freien Universität Berlin. Wirtschaftliche Chancen seien oft das Privileg jener, die politische Beziehungen pflegen.

Die Spur führt auch nach Kreta – der politischen Heimat mächtiger Dynastien und ein Zentrum traditioneller Klientelpolitik. Dort, so vermuten Ermittler, liefen zahlreiche Fäden des Subventionsbetrugs zusammen. Die EPPO hatte bereits im Mai Razzien auf der Insel und in Athen durchgeführt, bei denen sich OPEKEPE-Mitarbeiter den Ermittlern widersetzten und europäische Staatsanwälte behinderten.

Im Juni übergab die EPPO dem griechischen Parlament eine über 3.000 Seiten umfassende Ermittlungsakte. Darin werden laut Medienberichten auch frühere Agrarminister genannt, darunter Makis Voridis, der inzwischen als Migrationsminister zurückgetreten ist. Nach der griechischen Verfassung darf gegen amtierende oder ehemalige Regierungsmitglieder allerdings nur mit Parlamentsbeschluss ermittelt werden – eine Regelung, die die EPPO als Verstoß gegen EU-Recht kritisiert.

Ein Athener Gericht verurteilte kürzlich 13 Angeklagte zu Haftstrafen zwischen sechs und vierzig Monaten. Parallel dazu kürzte die EU-Kommission Griechenland Fördergelder in Höhe von 392 Millionen Euro und verhängte eine Strafe, um die laxen Kontrollmechanismen zu sanktionieren.

Premier Kyriakos Mitsotakis, dessen Regierung seit Monaten in der Defensive steht, gestand im Juni ein: "Wir sind gescheitert." Zugleich versprach er, die OPEKEPE aufzulösen und eine neue Behörde zu schaffen. Doch im jüngsten Fernsehinterview relativierte er seine Verantwortung: Der Skandal sei "kein parteipolitisches, sondern ein gesellschaftliches Problem".

Ob Mitsotakis diese Argumentation überzeugt durchhält, bleibt abzuwarten. Der OPEKEPE-Skandal zeigt, wie tief Patronage und Missmanagement in der griechischen Bürokratie verankert sind – und wie anfällig das milliardenschwere Subventionssystem der EU bleibt, wenn nationale Kontrollen versagen.

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