Kaja Kallas in Kiew: Mit gefälschten Zahlen ist der Glaube an den Endsieg unerschütterlich

Kaja Kallas ist wohlbehalten in Kiew eingetroffen. Dort sichert sie der Ukraine weitere Unterstützung zu. Mit zehn Millionen Euro soll das Tribunal zur Aburteilung angeblicher russischer Verbrechen angeschoben werden. Das macht deutlich: Die EU strebt weiter einen Sieg über Russland an.

Von Gert Ewen Ungar

Trotz der Behauptung, Russland würde täglich zivile Ziele in der Westukraine angreifen, bleibt die Reisefrequenz westeuropäischer Politiker in die Ukraine hoch. Heute stellt die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas unter Beweis, dass an der Behauptung, Russland würde einen Vernichtungskrieg gegen die ukrainische Zivilbevölkerung führen, etwas nicht stimmen kann. Sie kam wohlbehalten und gut gelaunt in Kiew an. Die gute Laune blieb, denn Kallas bekam bei ihrem Besuch reichlich Gelegenheit, ihren Russenhass umfänglich auszuleben. Von Gefahr für ihren Leib und ihr Leben fehlte jede Spur. 

Wäre die Gefahr für Leib und Leben tatsächlich so groß, wie behauptet, wäre die EU-Außenbeauftragte nicht dort. Ihre und die Anwesenheit zahlloser ihrer Kollegen in der Ukraine, die sich in Kiew die Klinke in die Hand geben, verdeutlicht, dass die Unterstellung, Russland beabsichtige, die ukrainische Zivilbevölkerung auszulöschen, in keiner Hinsicht der Wahrheit entspricht. In den sozialen Netzwerken kursieren Aufnahmen von Feiern in Klubs und Restaurants, von Open-Air-Konzerten und öffentlichen Veranstaltungen und vom ukrainischen Alltag, durch die die Behauptung, Russland würde in Kiew gezielt die Zivilbevölkerung attackieren, als das entlarvt wird, was sie ist: Propaganda und Desinformation. 

Der Besuch von Kallas in Kiew macht jedoch noch etwas anderes deutlich: Die EU ist willens, den Krieg weiter zu verlängern, und hält an dem Ziel weiterhin fest, Russland eine strategische Niederlage beizubringen. In Kiew sagte Kallas bei ihrem Treffen mit dem ukrainischen Außenminister Andrij Sybiha zehn Millionen Euro für die Einrichtung eines Tribunals zur Aburteilung angeblicher russischer Kriegsverbrechen zu.

Dass Russland sich den Urteilen dieses Tribunals unterwirft und seine Bürger an das Tribunal ausliefert, ist nur nach einer bedingungslosen Kapitulation vorstellbar. Die Finanzierung des Tribunals durch die EU bedeutet daher konkret, dass Westeuropa an dem Plan festhält, durch die Aufrüstung der Ukraine einen Sieg über Russland erringen zu wollen. 

Dabei sieht Kallas die Ukraine und die EU bereits auf der Zielgeraden. Diese Sicht gründet allerdings auf Daten, die nachweislich falsch sind. So glaubt Kallas, die Inflation in Russland betrage derzeit 20 Prozent. Das ist eine Desinformation. Die Inflation liegt bei 8 Prozent. Das ist zwar höher als die von der Zentralbank anvisierten 4 Prozent, aber die Inflation ist im zeitlichen Verlauf kontinuierlich gesunken. 

Das wirtschaftliche Wachstum in Russland sei zum Erliegen gekommen, behauptet die Außenbeauftragte der EU. Auch das ist falsch. Für Russland wird in diesem Jahr ein Wachstum zwischen 1,5 und 2 Prozent erwartet. Das ist zwar weniger als im vergangenen Jahr, als die russische Wirtschaft um 4 Prozent wuchs, aber immer noch Wachstum in einer Höhe, von dem EU-Länder wie Deutschland und Frankreich nur träumen können. Die französische Wirtschaft wird in diesem Jahr um 0,8 Prozent wachsen, für Deutschland werden 0,2 Prozent Wachstum prognostiziert. Aufgrund der deutschen Exportabhängigkeit und des weiterhin schwelenden Zollstreits mit den USA bleiben insbesondere für Deutschland die Risiken weiterhin hoch. Ein drittes Rezessionsjahr ist nicht ausgeschlossen. Fakt ist: Alle wirtschaftlichen Probleme, die Westeuropa gerade hat, hat Russland nicht. Kallas verweigert sich dieser Erkenntnis. 

Problematisch ist daran, dass Kallas ihre falschen Zahlen selbst glaubt und auf ihrer Grundlage Außenpolitik gestaltet. Das ist fatal, denn das von ihr behauptete wirtschaftliche Ungleichgewicht zuungunsten Russlands existiert nicht. Russland steht besser da als die EU. Wenn aber die Analyse nicht stimmt, können auch die daraus gezogenen Schlüsse nicht in die richtige Richtung weisen. 

Dem ukrainischen Außenminister sichert Kallas zu, man werde einen rechtsicheren Weg finden, der Ukraine das in der EU eingefrorene russische Vermögen zur Verfügung zu stellen. Damit erhöht Kallas das wirtschaftliche Risiko für die EU, denn es ist kaum vorstellbar, dass man den Vorgang anders als Diebstahl werten wird. Damit wird der Euro in seiner Funktion als Reservewährung geschwächt. Die Anleger werden sich von ihren Euros trennen.

Auch glaubt Kallas die in der EU verbreitete, verkürzte Geschichte, wie es zu dem Krieg kam. Der Krieg sei allein die Schuld Russlands, behauptet Kallas unter Ausklammerung der Vorgeschichte des Konflikts. Dabei ist offensichtlich, dass die EU einen essenziellen Anteil an der Entstehung und an der Eskalation des Konflikts hat, in dessen Zentrum die Bereitschaft steht, die Ukraine in die NATO aufzunehmen. Russland sieht dadurch seine Sicherheitsinteressen bedroht.

Aber die EU ist weder bereit, auf eine Aufnahme der Ukraine in die NATO zu verzichten, noch das Angebot Russlands anzunehmen, eine Sicherheitsarchitektur auf der Basis des Prinzips der Kollektiven Sicherheit zu errichten, die allen Ländern Europas dient, einschließlich Russlands. Allein deshalb ist bereits klar erkennbar, dass die Aggression nicht von Russland, sondern von Brüssel und den westeuropäischen Hauptstädten ausgeht.

Was das Tribunal anbelangt, ist es daher auch wahrscheinlicher, dass sich dereinst westliche Politiker verantworten müssen. Unklar bleibt, ob Kallas versteht, dass ihre Handlungen auch für sie durchaus negative Konsequenzen nach sich ziehen können. Vermutlich übersteigt das ihr Vermögen, in Zusammenhängen zu denken. Wobei sie sich aber sicher sein kann, ist, dass sich ihre Rückreise so angenehm und ohne Zwischenfälle gestalten wird wie die Anreise nach Kiew. Für ein Kriegsgebiet ist das absolut unüblich, könnte man Kaja Kallas ausrichten. 

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