Ende letzten und Anfang dieses Jahres beherrschte das Thema die Schlagzeilen: Schiffe der "russischen Schattenflotte" sollen absichtlich Unterseekabel beschädigt haben. Dieser Vorwurf wurde vielfach wiederholt und aufgegriffen, ungeachtet der Tatsache, dass eine Beschädigung der vergleichsweise dünnen, ungeschützt auf dem Meeresgrund verlaufenden, Kabel häufig geschieht, die meisten Kabel schon deshalb doppelt verlegt werden und eine Reparatur vergleichsweise schnell möglich ist.
In diesem Zusammenhang geriet im Januar der Tanker Eagle S ins Visier der NATO-Ostseeanrainer. Am 25. Dezember wurde die Eagle S von einem finnischen Patrouillenboot geentert; kurz zuvor war das Stromkabel EastLink2 beschädigt worden. Das Schiff, das einer Firma in den Arabischen Emiraten gehört und unter der Flagge der Cook-Inseln unterwegs ist, wurde festgesetzt; sieben Mitglieder der Besatzung wurde anfänglich die Ausreise aus Finnland untersagt. Erst Anfang März wurde das Schiff wieder freigegeben; der Kapitän und zwei Offiziere aus der aus Indern und Georgiern bestehenden Besatzung wurden bis zur Gerichtsverhandlung weiter festgehalten.
Jetzt hat das finnische Gericht die Sabotage-Anklage gegen den Kapitän und zwei Offiziere des Öltankers wegen Beschädigung von Unterseekabeln in der Ostsee abgewiesen. "Es war nicht möglich, finnisches Strafrecht auf den Fall anzuwenden", hieß es in einer Erklärung des Amtsgerichts von Helsinki. Damit wurden auch die damit verbundenen Schadensersatzforderungen zurückgewiesen. Gegen das Urteil kann noch Berufung eingelegt werden.
Die Zuständigkeit für eine strafrechtliche Verfolgung läge, so die Richter, nach internationalem Seerecht bei den Gerichten des Flaggenstaates des Öltankers oder den Heimatstaaten der Angeklagten.
Die Staatsanwaltschaft hatte wegen "schwerer Sachbeschädigung und schwerer Behinderung von Kommunikation" Haftstrafen von jeweils mindestens zweieinhalb Jahren gefordert. Die Verteidigung hatte hingegen auf nicht schuldig plädiert und von einem "Unfall" gesprochen.
Ermittlern zufolge schleifte der Tanker "Eagle S" seinen Anker über den Meeresboden. Dabei seien das Stromkabel Estlink 2 zwischen Finnland und Estland sowie vier Internetleitungen beschädigt worden. Im Zuge der Ermittlungen wurde eine kilometerlange Schleifspur sowie der Anker des Schiffes am Meeresboden entdeckt.
Die Crew hatte erklärt, dass es ein technisches Problem mit dem Anker gegeben habe. Die Verteidigung argumentierte, Finnland sei nicht zuständig, da die Kabel außerhalb der finnischen Hoheitsgewässer beschädigt worden seien.
Nach dem Fall der Eagle S gab es viele weitere Übergriffe gegen Schiffe, die russisches Öl transportieren; der jüngste ereignete sich gerade erst vor der französischen Küste. Das Urteil in Finnland belegt, dass die Rechtslage wohl eher nicht dem entspricht, was zuletzt von den Regierungen der NATO-Ostseeanrainer vorgetragen worden ist. Noch weit interessanter sind jedoch andere Konsequenzen: da das Gericht erklärt hat, die finnischen Behörden seien rechtlich nie zuständig gewesen, wird dadurch ihr gesamtes Vorgehen fehlerhaft - und es stellt sich die Frage, ob nicht der Kapitän, die beiden Offiziere sowie die Eigner der Eagle S einen Schadensersatzanspruch gegen den finnischen Staat stellen können.
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