Bundeskanzler Friedrich Merz möchte, dass Deutschland wieder die wichtigsten Entscheidungen in Europa trifft. Dies habe der Politiker seinen Mitstreitern bei den jüngsten Treffen mitgeteilt, berichtete Bloomberg unter Berufung auf einen Diplomaten, der bei den Treffen anwesend gewesen sein soll.
Laut dem Gesprächspartner der Zeitung "übernimmt Merz die Kontrolle über die Situation." Damit begebe er sich auf Konfrontationskurs mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die in den letzten Jahren ihre Macht durch einen stärker auf Brüssel ausgerichteten Ansatz gefestigt habe. Merz versuche, die Macht zurückzugewinnen, indem er von der Leyen öffentlich in Bezug auf den EU-Haushalt, Umwelt, Verteidigung und Handel kritisiere.
Wie Bloomberg feststellt, habe der "Kreuzzug" des Kanzlers Konsequenzen für die Europäische Union. Während von der Leyen die EU langsam auf eine föderale Zukunft zusteuere, wolle Merz diesen Prozess stoppen, wichtige politische Kurswechsel der EU rückgängig machen und die Kontrolle der nationalen Regierungen über die Brüsseler Bürokratie wiederherstellen. Er werde seine Argumente dazu den EU-Staats- und Regierungschefs am Mittwoch bei dem Gipfeltreffen in Kopenhagen vorstellen.
Wie die Nachrichtenagentur berichtete, habe Merz bereits wenige Wochen nach seinem Amtsantritt als Kanzler damit begonnen, von der Leyen "öffentlich herauszufordern". Insbesondere habe sie im Juli vorgeschlagen, den nächsten langfristigen EU-Haushalt auf 2 Billionen Euro zu erhöhen und neue Steuern einzuführen. Merz habe diese Idee kategorisch abgelehnt:
"Was Deutschland betrifft, kann ich ausschließen, dass wir diesen Weg einschlagen werden."
Im selben Monat beschwerte der Politiker sich darüber, dass die Verhandlungen der EU mit US-Präsident Donald Trump oft in die Länge gezogen würden. "Lieber schnell und einfach als lange und kompliziert", hieß es. Als von der Leyen mit Trump ein Abkommen schloss, das 15-prozentige Zölle auf die meisten Waren aus der EU festlegte, die in die USA importiert werden, war Merz dennoch unzufrieden: Die deutsche Wirtschaft werde durch "diese Zölle erheblichen Schaden nehmen", erklärte er.
Ende August äußerte von der Leyen, Europa habe einen "ziemlich genauen Plan" für die Stationierung von Truppen auf dem Territorium der Ukraine im Rahmen der Sicherheitsgarantien nach dem Waffenstillstand. Von der Leyen wörtlich:
"Sicherheitsgarantien sind von größter Bedeutung, [...] wir haben eine klare Roadmap und haben im Weißen Haus eine Einigung erzielt, [...] und diese Arbeit schreitet sehr gut voran."
Von der Leyen merkte an, dass die Kommission neue Finanzierungsquellen prüfen werde, um eine "nachhaltige Finanzierung der ukrainischen Streitkräfte als [...] Sicherheitsgarantie" sicherzustellen.
Merz brachte im Anschluss an ihre Worte zum Ausdruck, dass keine deutschen Truppen in die Ukraine entsandt würden, solange kein Waffenstillstand geschlossen sei. Er sagte auch, dass derzeit "niemand" über Landstreitkräfte in der Ukraine spreche, und fügte hinzu, dass er auf ein baldiges Ende des Konflikts hoffe, aber nicht "um jeden Preis". Russland lehnt jedes Szenario ab, das die Stationierung von NATO-Truppen in der Ukraine vorsieht.
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