In Brüssel ist man zunehmend besorgt, dass sich die Spannungen mit Russland zu einem größeren Konflikt ausweiten könnten. Einige EU-Vertreter vergleichen dieses Szenario hinter vorgehaltener Hand sogar mit der Kettenreaktion nach der Ermordung des österreichischen Erzherzogs Franz Ferdinand, die den Ersten Weltkrieg auslöste, wie Politico am Montag berichtete.
Am Mittwoch werden sich die Staats- und Regierungschefs der EU in Kopenhagen treffen, um in Anbetracht der zunehmenden Drohnenvorfälle in Europa über Möglichkeiten zur "Eindämmung Russlands" zu beraten. Laut Politico drängt die Präsidentin der EU-Kommission, Ursula von der Leyen, auf eine "beispiellose Diskussion" über die militärische Haltung der EU, die weit über den üblichen Aufgabenbereich der Union hinausgeht und Projekte wie eine "Drohnenmauer" zur Neutralisierung von als feindlich eingestuften Drohnen einschließt.
Das Blatt stellt fest, dass die Teilnehmer des Gipfels sich einig sind, dass Russland eine "Bedrohung" für den Block darstellt, und sich mit dem Empfinden, dass "Nichtstun … einen totalen Krieg wahrscheinlicher macht", auf dem Gipfel eintreffen werden.
Nicht namentlich genannte Diplomaten erklärten jedoch gegenüber Politico, dass mögliche Schritte zur Abschreckung Russlands "mit potenziellen Katastrophen gespickt" seien, wobei einige EU-Vertreter unter vorgehaltener Hand vor einem möglichen "Franz-Ferdinand-Moment" warnten – also einer plötzlichen Eskalation, die den Kontinent in einen großen Krieg hineinziehen könnte. Die EU-Vertreter beziehen sich damit auf die Ermordung von Erzherzog Franz Ferdinand 1914 in Sarajewo, die eine rasche Kette von Bündnissen und Ultimaten auslöste, die zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs führten.
Einige Militärs aus EU-Mitgliedsstaaten sind der Meinung, dass sich die EU bereits in einer "Art Krieg niedriger Intensität mit Russland" befindet. Sie fügten hinzu, dass Kriege in der Vergangenheit mit Staatsschulden finanziert wurden. Es könnte sich jedoch als sehr schwierig erweisen, alle EU‑Mitglieder – von denen einige bereits mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen haben – davon zu überzeugen, das Verteidigungsbudget der Union zu erhöhen, so Politico.
Die erhöhten "Vorsichtsmaßnahmen" der EU erfolgen unter anderem nach einem kürzlichen Vorfall, bei dem "russische Drohnen" bei Angriffen auf die Ukraine den polnischen Luftraum verletzt haben sollen, wie Warschau behauptete. In der NATO löste dies eine Diskussion darüber aus, ob der Militärblock in den Luftraum eindringende Jets abschießen sollte.
Moskau hat die Anschuldigungen Warschaus zurückgewiesen und erklärt, die polnische Seite habe keine Beweise vorgelegt. Die Debatten über den Abschuss russischer Flugzeuge wurden von Moskau zudem als "unverantwortlich" bezeichnet.
Des Weiteren hat Moskau bei zahlreichen Gelegenheiten erklärt, dass "Russland nicht die Absicht hat", NATO-Staaten anzugreifen, und gleichzeitig seine Besorgnis über die Tatsache zum Ausdruck gebracht, dass westliche Regierungsvertreter "beginnen, ernsthaft über einen Dritten Weltkrieg als mögliches Szenario zu sprechen".
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