Die Schwarze Erde der Ukraine und die verschwiegene Realität in einem ruinierten Land (Teil 2)

Je länger sich der Stellvertreterkrieg sich hinzieht und je weiter die russischen Truppen nach Westen vorrücken, desto trüber werden die Aussichten für die westlichen "Investoren", die von ihnen erhofften exorbitanten Profite aus den Schwarzerde-Gebieten zu realisieren. War die Ukraine schon vor 2022 bankrott, so ist das Land nun vollends ruiniert.

Teil 2 und Schluss – Teil 1 finden Sie hier.

Von Wolfgang Bittner

Die verschwiegene ukrainische Realität

Die Ukraine war bereits wenige Monate nach dem Maidan-Putsch bankrott und hing nur noch am Tropf des IWF und der EU. Nach Untersuchungen der Journalisten Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam (ehemalige Mitarbeiter des Norddeutschen Rundfunks) haben bis Mitte 2018 etwa acht Millionen Ukrainer ihre Heimat auf der Flucht vor Armut und Arbeitslosigkeit verlassen. Das Land war damals schon mit 13 Milliarden Euro bei der EU und mit weiteren elf Milliarden US-Dollar beim Internationalen Währungsfonds verschuldet. "Diese Last wäre nur zu tragen, wenn ihr ein angemessenes Bruttosozialprodukt gegenüberstünde", so die Autoren 2018. Ihre damalige Prognose: "Wie das Poroschenko-Regime jedoch die im nächsten Jahr fälligen ersten Rückzahlungsraten aufbringen und seinen Tilgungsverpflichtungen nachkommen will, ist völlig unklar. […] Die EU und der IWF machen Druck, dass die ukrainische Regierung endlich die Beschränkungen für den Verkauf von Ackerland [den wertvollen 'Schwarzen Böden'] aufhebt, an dem internationale Investoren der Agrarindustrie großes Interesse haben. Außerdem soll das Ausfuhrverbot für Rundhölzer demnächst abgeschafft werden. Die ukrainischen Wälder dürften bald Vergangenheit sein."

Zu registrieren ist seit 2014 eine völlige Verelendung des kriegsgeschüttelten Landes, das von Skandalen, Korruption und Verbrechen heimgesucht wird. Aber über die teilweise Zerstörung von Schwarzerde und über die prekäre Situation der ukrainischen Bevölkerung wird kaum berichtet. Nur beiläufig erfuhr die Öffentlichkeit von einer Serie mysteriöser Todesfälle ukrainischer Oppositioneller und ehemaliger hoher Amtsträger, Funktionäre und Politiker. Darunter waren der ehemalige Leiter des staatlichen Grundstücksfonds Michail Tschetschetow, der ehemalige Gouverneur von Saporoschje Alexander Pekluschenko, der ehemalige Vorsitzende des Regionalrates in Charkow Nikolai Sergijenko und der ehemalige Bürgermeister von Melitopol Sergei Walter. Obwohl es keine Abschiedsbriefe gab und die Umstände auf Mord schließen ließen, war die offizielle Version jeweils "Selbstmord".

Wie es 2022/23 in der Ukraine aussah und worüber die westlichen Medien nicht berichteten, dokumentierte ein durchaus glaubwürdiger Beitrag des russischen Fernsehens, aus dem der Journalist und Russlandkenner Thomas Röper folgende Passagen übersetzte: "Die Ukraine hat sich in eine Wildnis verwandelt, in der jeder Bezirk von einem eigenen Warlord befehligt wird. Odessa ging an Maxim Martschenko, den ehemaligen Chef des nationalistischen Aidar-Bataillons. Er wurde zum Gouverneur ernannt. Den Strand von Langeron hat er sofort vermint. Die Zivilisten werden als Schutzschilde benutzt. In Mariupol haben Soldaten der ukrainischen Armee hinter einem Kindergarten Artillerie aufgestellt. In Charkow stehen sie mit Maschinengewehren auf den Balkonen von Hochhäusern. Von was für humanitären Korridoren ist die Rede? Die Einwohner von Mariupol versuchten, die Stadt zu verlassen, wurden aber in zerschossenen Autos aufgehalten und gerieten in einen Hinterhalt des nationalistischen Asow-Bataillons. Der Befehl lautete, niemanden hinauszulassen und so viel Zerstörung wie möglich zu hinterlassen […] Sie haben die Visapflicht für ausländische Söldner abgeschafft, ließen Gefangene frei und verteilten Waffen an alle, die welche haben wollten, […] für Andersdenkende haben sie sogar ihre eigene Strafe erfunden: Auspeitschen, indem man die Opfer mit Klebeband an einen Baum bindet."

Zu allen Behauptungen wurden entsprechende Bilder gezeigt. Die Schlussfolgerung lautete: "Die Ukraine ist für die USA und Europa Verbrauchsmaterial, ihre historische Aufgabe ist es, Russland zu schaden. Das ist alles." Der Fernsehbericht zeigte ein Land im Chaos, beherrscht von Verbrecherbanden wie den Asow- und Aidar-Truppen, die ihre Stellungen in der Nähe von Kindergärten oder in Wohnhäusern einrichteten, Oppositionelle ermordeten und False-Flag-Operationen durchführten, wie zum Beispiel in Butscha (dazu vom Autor: "Geopolitik im Überblick", Berlin: Verlag Hintergrund, 2025, S. 107–112).

Das hielt die deutsche Regierung nicht davon ab, der Kiewer Regierung zu versichern, dass Deutschland dieses völlig heruntergekommene Staatswesen mit der Regierung Selenskij unterstützen werde, "so lange es nötig sein wird", militärisch, finanziell und politisch. Das entsprach den Vorgaben der Obama- und Biden-Regierungen, aber nicht den deutschen Interessen, die verantwortungslos missachtet wurden, ebenso wie die existenzielle Gefährdung ganz Europas.

Die neuere Entwicklung

Durch die Präsidentschaft Donald Trumps hat sich die Situation für die Ukraine, aber auch für Deutschland und Europa gravierend verändert. Trump, der offensichtlich den Zusammenbruch des US-Wirtschafts- und -Finanzsystems abzuwenden beabsichtigt, will Geschäfte ("Deals") machen und hat Abstand von der Ukraine-Politik Obamas und Bidens genommen. Er ist an den Bodenschätzen des Landes interessiert, um die Milliardenausgaben der USA für den Ukraine-Krieg wieder hereinzuholen.

Aber das ist nicht neu. Einige Neocons und Kriegstreiber in Washington haben diese "Investitionen" in die Ukraine schon länger ganz nüchtern als eine Win-win-Situation gesehen. So sagte der prominente US-Senator Lindsey Graham am 10. Juni 2024 in einem Interview des US-Senders CBS: "Sie sitzen auf zehn bis zwölf Billionen Dollar an kritischen Mineralien in der Ukraine. Ich möchte Putin dieses Geld und diese Vermögenswerte nicht geben, um sie mit China zu teilen." Für Graham ist die Ukraine eine Goldmine, die es auszubeuten gilt: "Sie könnten das reichste Land in ganz Europa sein […] Das ist eine sehr große Sache, wie die Ukraine endet. Helfen wir ihnen, einen Krieg zu gewinnen, den wir uns nicht leisten können, zu verlieren." Doch das will Trump anders regeln. Es wird sich zeigen, inwieweit Russland, das bis vor Kurzem noch aus strategischen und ökonomischen Gründen besiegt und entstaatlicht werden sollte, der Trump-Regierung entgegenkommen wird.

Derweil geht der Krieg weiter. Seit 2022 sind die Gebiete im Osten der Ukraine stark umkämpft, was aufgrund des massiven Einsatzes von Artillerie, Drohnen und Minen unter anderem die teilweise Zerstörung des Ackerbodens zur Folge hat. Auch die Sprengung des Kachowka-Staudammes führte zu schweren Schäden in den russischen Gebieten entlang des Dnjepr und hat den Handel mit Agrarprodukten stark beeinträchtigt.

Ein von der Natur gesegnetes Land wurde zu Teilen zerstört und abgewirtschaftet, weil es vor der Haustür Russlands liegt, auf dessen Ressourcen sich die westlichen Begehrlichkeiten, abgesehen von den strategischen Zielen, letztlich richten. Das "Tor zu Russland" ist auf Jahrzehnte hinaus ruiniert, und der Wiederaufbau nach einem Friedensschluss wird Abermilliarden kosten, die zum großen Teil von den westeuropäischen Staaten aufgebracht werden müssen.

Der vorstehende Artikel erschien zuerst auf den NachDenkSeiten am 24. September 2025.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Er hat über 80 Bücher veröffentlicht, u. a. "Die Eroberung Europas durch die USA" (2014), "Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen" (Roman, 2019), "Deutschland – verraten und verkauft" (2021), und "Geopolitik im Überblick. Deutschland-USA-EU-Russland" (2025).

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