"Die Option ist auf dem Tisch": Von der Leyen erwägt Optionen zum Abschuss russischer Flugzeuge

Für die EU-Kommissionspräsidentin ist der Abschuss rusisscher Kampfjets eine denkbare Option. Dies sollte "in Betracht gezogen" werden, sollte die Kampfflieger in den NATO-Luftraum eindringen. Mit dieser Aussage folgt sie Argumentation des US-Präsidenten Donald Trump, der die Europäer zuvor dazu ermutigt hatte.

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, erklärte am Mittwoch, dass die Option, einen in den Luftraum der NATO eingedrungenen Kampfflieger abzuschießen, "in Betracht gezogen" werde. Darüber berichtet Politico mit Verweis auf ein Interview der hohen Beamtin mit dem US-Sender CNN. Dies ist ihr erster ausführlicher Kommentar, nachdem sich auch US-Präsident Donald Trump zum angeblichen Eindringen russischer Kampfflugzeuge in den estnischen Luftraum geäußert hatte. Sie sagte:

"Ich bin der Meinung, dass wir jeden Quadratzentimeter unseres Territoriums verteidigen müssen. Das bedeutet, dass im Falle eines Eindringens in den Luftraum nach einer Warnung und einer klaren Erläuterung der Situation natürlich die Option in Betracht gezogen wird (im engl. Original "the option is on the table"), den Kampfflieger, der in unseren Luftraum eingedrungen ist, abzuschießen."

Von der Leyen habe zwar keine Befugnis, die Militäraktionen der EU-Länder zu leiten, aber als Chefin der Exekutive des Blocks habe ihre Meinung zu diesem Thema einen enormen Einfluss, merkt Politico dazu an. In einem anderen Gespräch mit der Presse am Mittwoch bezeichnete sie die Vorfälle, insbesondere den in Polen, als äußerst schwerwiegend.

"Während die NATO der Mittelpunkt unserer kollektiven Verteidigung bleiben muss, brauchen wir auch eine wesentlich stärkere europäische Säule … wir werden jeden Zentimeter der europäischen Grenzen schützen." 

Am Dienstag erklärte US-Präsident Donald Trump am Rande der UN-Generalversammlung, dass seiner Meinung nach die NATO-Staaten russische Flugzeuge in ihrem Luftraum abschießen sollten. Kurz darauf reagierte der polnische Außenminister Radosław Sikorski auf Trumps Antwort auf die Frage eines Journalisten zu diesem Thema mit den Worten: "Akzeptiert."

In einem Interview mit dem britischen Radiosender LBC am Mittwoch erläuterte Sikorski seine Position:

"Die Armee ist verpflichtet, ihr Territorium zu verteidigen, auch in der Luft, und wir werden alles Notwendige tun." Seinen Worten zufolge würde er es jedoch vorziehen, "wenn wir Drohnen und Marschflugkörper über [ukrainischem] Hoheitsgebiet abfangen würden, bevor sie Leben und Eigentum auf NATO-Gebiet schädigen."

Im CNN-Interview stellte von der Leyen die nach Osten expandierte Allianz als Opfer russischer Aggressionen dar. Russland teste alle Möglichkeiten, indem es "seit vielen Jahren" den hybriden Krieg gegen Demokratien der Europäischen Union und anderer Länder führe. Deshalb müssten "wir"  darauf in allen Bereichen reagieren. Von der Leyen bekräftigte:

"Und wie ich bereits gesagt habe, ist dies eine Entscheidung der NATO, aber ich möchte ganz klar sagen: Fassen Sie unser Territorium nicht an."

Macron und Pistorius: Beim "Testen" Zurückhaltung geboten 

Am Donnerstag meldete der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius ein weiteres Manöver der russischen Luftstreitkräfte, das die Deutschen und die NATO angeblich provozieren sollte. In einer Rede im Bundestag behauptete er, ohne allerdings dafür Beweise vorzulegen, dass ein russisches Militärflugzeug über Fregatten der Deutschen Marine in der Ostsee geflogen sei. Putin teste und provoziere die NATO-Mitgliedstaaten und wolle vermeintliche Schwachstellen im NATO-Bündnis identifizieren, offenlegen und ausnutzen.

Pistorius betonte, dass das Bündnis nicht in diese Eskalationsfalle tappen werde und zurückhaltend reagieren wolle. Bereits einen Tag zuvor hatte er sich in diesem Zusammenhang des Begriffs "Zurückhaltung" bedient, als er Forderungen anderer Politiker ablehnte, russische Flugzeuge abzuschießen.

Auch Frankreichs Präsident Emmanuel Macron meint, dass NATO-Staaten russische Flugzeuge nicht abschießen sollten, die lediglich "die Zuverlässigkeit des Bündnisses prüfen". Damit widerspricht Macron der Position von US-Präsident Donald Trump, der zuvor gefordert hatte, bei Verletzungen des NATO-Luftraums durch russische Maschinen das Feuer zu eröffnen.

In einem Interview mit dem Radiosender RFI und dem Fernsehsender France 24 bezeichnet Macron die aktuelle Reaktion der NATO als "proportional", fügt aber hinzu, dass sie bei neuen Provokationen etwas stärker ausfallen müsse. Zuvor hatten Polen, Estland und Rumänien behauptet, ihr Luftraum sei mutmaßlich von russischen Drohnen und MiG-31-Jagdflugzeugen verletzt worden.

Russland: Keine Beweise für Luftraumverletzung

Am Mittwoch erklärte Julia Schdanowa, die russische Diplomatin für Sicherheitsfragen, dass Polen und Estland keine Beweise für eine russische Luftraumverletzung vorgelegt hätten – RT DE berichtete. Nach Beratungen der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 4 des NATO-Vertrags, die von Warschau beantragt wurden, verweigerte der Bündnis-Chef Mark Rutte die Antwort auf die Frage nach den Beweisen. Allerdings hieß es laut Schdanowa, dass die "Untersuchung des Vorfalls noch im Gange ist". Sie bemängelte, dass aus beiden Hauptstädten bislang weder Dementis noch Entschuldigungen geäußert worden seien. 

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