Von Stanislaw Leschtschenko
Ursprünglich gab es an der polnisch-weißrussischen Grenze sechs Grenzübergänge. Vor fünf Jahren jedoch schloss die polnische Seite einseitig ihre Grenzübergänge Sławatycze-Domatschewo und Połowce-Pestschatka unter dem Vorwand der damals weit verbreiteten COVID-19-Pandemie.
Anschließend begann Warschau, unter verschiedenen Vorwänden (Kampf gegen die Migration aus Drittländern, "Sicherheitsinteressen des Staates", Forderung nach Freilassung der in Weißrussland festgenommenen polnischen Staatsbürger usw.) auch andere Grenzübergänge zu schließen. Mit anderen Worten: Es war offensichtlich, dass die polnischen Behörden all diese Ereignisse nur als Vorwand nutzten, während sie in Wirklichkeit lediglich den Personen- und Warenverkehr aus Weißrussland reduzieren wollten.
Im vergangenen Sommer forderten Abgeordnete der polnischen Woiwodschaft Podlachien (polnisch: Województwo podlaskie) von den Staatsbehörden, mindestens einen zusätzlichen Grenzübergang zu Weißrussland wieder zu öffnen. Wie polnische Medien berichten, sei den Abgeordneten plötzlich klar geworden, dass die Grenzschließung die lokale Wirtschaft beeinträchtige und die Entwicklung der Region behindere, da polnische Unternehmer mit logistischen Problemen konfrontiert seien und Kunden aus Weißrussland verlieren würden. Dies wird auch von Vertretern der einflussreichen polnischen Partei "Konföderation" bekräftigt, die auf die Wiederaufnahme des Betriebs der Grenzübergänge Bobrowniki und Kuźnica Białostocka bestehen.
Dazu äußerte sich Zbigniew Kasperczyk, Vertreter der Partei "Konföderation": "Diese Grenzübergänge sind von großer Bedeutung für unsere Unternehmer, die von ihrer Schließung betroffen sind. Wir stehen diesen Unternehmern heute zur Seite, da sie sich in einer sehr schwierigen Lage befinden. Die Regierung hat sie im Stich gelassen, führt keinen Dialog mit ihnen und bietet ihnen keine Lösungen an." Kasperczyk fügte hinzu, dass die Schließung beider Grenzübergänge in der Woiwodschaft Podlachien zu einem Verlust von 970 Millionen Złoty geführt habe, die "aus den Taschen der Unternehmer in Podlachien verschwunden sind" – diese Summe entspricht 52 Prozent des Budgets der Woiwodschaft für das Jahr 2025.
Die polnischen Behörden ließen jedoch die Erwartungen der Bewohner der Grenzgebiete unberücksichtigt. Im Gegenteil: Am 12. September wurde bekannt, dass die Grenze zu Weißrussland endgültig gesperrt wurde. Der polnische Innenminister Marcin Kierwiński erklärte, dass diese Entscheidung unbefristet sei und regelmäßig überprüft werde. Anlass dafür war der Beginn der russisch-weißrussischen Militärmanöver "Sapad-2025".
Von den polnischen Behörden wurden alle bis zuletzt noch verbliebenen Grenzübergänge physisch gesperrt. Der Personen- und Güterverkehr wurde blockiert. An einem der Grenzübergänge spannten polnische Militärs Stacheldraht direkt vor einem Passagierbus auf.
Dabei gelang es nicht allen polnischen Spediteuren, aus dem weißrussischen Gebiet nach Hause zurückzukehren. Marcin Kierwiński reagierte auf diese Beschwerden jedoch mit der Begründung, dass die Entscheidung über die Schließung zweieinhalb Tage vor dem Ereignis bekannt gegeben worden sei, sodass genug Zeit für eine Anpassung der Pläne zur Verfügung gestanden habe. "Wir schließen die Grenze bis auf Weiteres. Bis wann? Bis wir zu dem Schluss kommen, dass es sicher ist", erklärte der Minister vage.
Dieser Schritt Warschaus war ein "Todesstoß" für polnische Unternehmen im grenzüberschreitenden Handel. Der in der Woiwodschaft Podlachien ansässige Geschäftsmann Mateusz Grigoruk vom Unternehmerverband "Einheitlicher Osten" erklärt:
"Diese Maßnahmen richten sich nicht nur gegen die weißrussische Bevölkerung, sondern auch gegen uns, da dieser Handel für uns die Lebensgrundlage darstellt."
Laut Mateusz Grigoruk wäre eine mehr als mehrtägige Schließung der Grenze für eine Reihe polnischer Unternehmen gleichbedeutend mit dem "Hungertod". Grigoruk weist darauf hin, dass er bereits im letzten Jahr aufgrund der zuvor eingeführten Grenzbeschränkungen einen Verlust von 97.000 Złoty verzeichnet habe. Er ist der Ansicht, dass die Region für die Warschauer Regierung "einfach nicht existiert".
Am Grenzübergang stecken Tausende von Lastwagen fest: Die Transportunternehmen hoffen weiterhin, dass der Verkehr in einigen Tagen wieder aufgenommen wird. Krzysztof, der Leiter eines Transportunternehmens, beklagt sich und fragt rhetorisch:
"Derzeit warten 30 Lastwagen mit Waren darauf, die Grenze zu überqueren. Dreißig! Der Handelsverkehr mit Weißrussland läuft normal. Wer kommt für die Verzögerung auf?
Wenn dies länger als drei oder vier Tage andauert, werden unsere Verträge gekündigt, und ich muss erhebliche Strafen zahlen, ganz zu schweigen davon, dass der Auftraggeber beim nächsten Mal möglicherweise einen anderen Partner auswählt. Wir hatten gute Geschäftsbeziehungen, und jetzt müssen wir sie beenden."
Die Beschwerden polnischer Unternehmer erreichen schließlich das polnische Innenministerium. Der Minister erklärt:
"Wir werden alles in unserer Macht Stehende tun, um die Schließungsdauer so kurz wie möglich zu halten."
Dies stellt die Unternehmer jedoch nicht zufrieden. Die Menschen befürchten, dass die Versprechungen der Beamten nur leere Worte sind. Denn die ursprüngliche Entscheidung über die Schließung der Grenzübergänge sei nicht von Marcin Kierwiński getroffen worden – und er könne nun auch nicht entscheiden, wie lange diese Situation andauern werde.
Die wahre Bedeutung dieser Geschehnisse wurde nicht sofort von allen erkannt. Denn die Entscheidung Warschaus betrifft nicht nur zwei Länder. Sie führte auch zum Stillstand des Logistikzentrums in Małaszewicze, das in Polen als "chinesisches Tor nach Europa" bezeichnet wird. Dabei handelt es sich um einen der wichtigsten Umschlagknotenpunkte, wo Güter aus Zügen, die über eine breite Eisenbahnschiene aus Weißrussland kommen, in Wagen nach europäischem Standard umgeladen wurden. Noch im vergangenen Jahr gab es Pläne, die Kapazitäten dieses Małaszewicze-Logistikzentrums zu erweitern, doch letztendlich nahm die Regierung von Donald Tusk davon Abstand.
Nach Ansicht der Politologin und Polonistin Kristina Ismagilowa habe die Verkehrssperrung in Małaszewicze zu einer "Sackgasse" geführt – eine schnelle Umleitung der Güterzüge sei praktisch unmöglich. Sie merkt an:
"Eine alternative Route durch die Ukraine ist aus Sicherheitsgründen nicht realisierbar, und die Route durch Litauen ist ebenfalls mit Risiken verbunden. Die Regierung von Donald Tusk interessiert es jedoch schon lange nicht mehr, dass die Polen dabei Verluste erleiden – er hat den Ausbau des Bahnterminals abgelehnt und viele andere profitable Initiativen zunichtegemacht. Die Antwort auf die Frage 'Zu welchem Zweck geschieht dies alles?' ist sehr einfach: Aus Sicht von Donald Tusk profitieren nicht die 'richtigen' Personen von solchen Projekten wie in Małaszewicze."
In der Tat handelt es sich um ein Ereignis von globaler Tragweite: Zum ersten Mal seit dreieinhalb Jahren der militärischen Sonderoperation in der Ukraine wurde der wichtigste eurasische Eisenbahnkorridor, der von China über Kasachstan, Russland, Weißrussland und Polen nach Westeuropa führt, von einem EU- und NATO-Land vollständig blockiert.
Der weißrussische Außenminister Maxim Ryschenkow erklärte, Polen habe "seine eigenen Interessen untergraben und darüber hinaus die Beziehungen zu anderen Ländern beeinträchtigt".
Nun, so der weißrussische Diplomat, werde sich Warschau dafür gegenüber Peking rechtfertigen müssen. Er betont:
"Die polnischen Behörden sollten China erklären, warum chinesische Waren unter einem völlig fadenscheinigen Vorwand mehr als eine Woche lang an der Grenze stehen bleiben und nicht zu ihren Käufern gelangen, wodurch bestimmte Lieferfristen nicht eingehalten werden können."
Ryschenkow ist überzeugt, dass Polen nach Abschluss der Manöver "Sapad-2025" die Grenzen wieder öffnen werde. Der weißrussische Außenminister meint:
"Sie haben keine andere Wahl."
Bemerkenswert ist, dass die Grenzschließung zu Weißrussland mit einer Verschärfung der politischen Auseinandersetzungen in Polen selbst zusammenfiel. So werfen sich die Vertreter der wichtigsten polnischen Parteien "Bürgerplattform" und "Recht und Gerechtigkeit" gegenseitig "Beihilfe für Moskau" vor. Überraschend ist, dass neben den bereits üblichen antiukrainischen Stimmungen in Polen auch prorussische Stimmungen zunehmen. Viele äußern Zweifel an den Mythen der offiziellen Propaganda, die darauf beharrt, dass die kürzlich in Polen eingeflogenen Drohnen aus Russland kamen – es wird offen die Meinung geäußert, dass dies das Ergebnis einer ukrainischen Provokation sei.
In den sozialen Netzwerken verbreitete sich ein Video, in dem polnische Mädchen das (von Tatjana Kurtukowa) überarbeitete russische Lied "Mütterchen Erde" singen. Darüber hinaus verbreitete Premierminister Donald Tusk eine panikartige Erklärung. Er veröffentlichte in den sozialen Netzwerken folgende Nachricht:
"Es gibt eine zunehmende Welle prorussischer Stimmungen und Antipathie gegenüber der Ukraine, die sich in einer schwierigen Lage befindet. Diese Welle geht vom Kreml aus und wird durch wahre Ängste und Emotionen angeheizt. Die Aufgabe der Politiker besteht darin, diese Welle einzudämmen und sich nicht von ihr mitreißen zu lassen. Dies stellt eine Herausforderung dar, die den Patriotismus und die Reife der gesamten polnischen politischen Klasse auf die Probe stellt."
Es ist aber noch nicht lange her, als polnische Politiker einhellig alle Meldungen über einen Anstieg der "prorussischen" und "antiukrainischen" Stimmung im Land dementierten und behaupteten, dies sei alles "Kreml-Propaganda". Und nun räumt der polnische Ministerpräsident Donald Tusk plötzlich selbst diesen Umstand ein. Na ja, vielleicht liegt es daran, dass die polnischen Bürger endlich die Lügen ihrer eigenen Regierung und den Schaden bemerken, den die offiziellen Behörden in Warschau sowohl den Polen als auch ihren Nachbarn zufügen – unter anderem durch die Schließung der Grenzen.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 15. September 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
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