Nach Angaben des polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk waren in der Nacht mindestens drei russische Drohnen von NATO- und polnischen Flugzeugen im polnischen Luftraum abgeschossen worden. Das berichtete die BBC am Mittwochnachmittag. Demnach habe Tusk den polnischen Abgeordneten mitgeteilt, dass Polen insgesamt 19 Drohnenflüge gezählt habe.
Noch in der Nacht zum Mittwoch teilte das Einsatzkommando der polnischen Streitkräfte mit, die Drohnen seien sowohl von polnischen als auch von in dem Land stationierten NATO-Flugzeugen per Radar verfolgt worden. Dazu erklärte das polnische Miltär: "Infolge des Angriffs der Russischen Föderation auf ukrainisches Gebiet kam es zu einer beispiellosen Verletzung des polnischen Luftraums durch drohnenähnliche Objekte. Die Suche und die Bemühungen, die möglichen Absturzstellen dieser Objekte zu lokalisieren, dauern an."
Die Sprecherin des polnischen Innenministeriums Karolina Galecka informierte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz dazu. Die polnischen Behörden hatten insgesamt sieben Drohnen und die Überreste eines nicht identifizierten Objekts an verschiedenen Orten im Land gefunden. Laut Galecks wurden fünf der Drohnen und die Überreste des nicht identifizierten Objekts an verschiedenen Orten in der Provinz Lublin im Osten Polens, an der Grenze zu Weißrussland und der Ukraine, gefunden.
Angeblicher Einsatz von F35-Kampfflugzeugen gegen russische Drohnen
Zwei weitere Drohnen wurden in Zentral- und Nordpolen entdeckt, weit entfernt von den Grenzen. Man habe vier polnische Flughäfen, darunter auch Warschaus Hauptflughafen Chopin, vorübergehend schließen müssen. Tusk habe das mutmaßliche Eindringen russischer Drohnen in den polnischen Luftraum als „Provokation“ bezeichnet und Kampfflugzeuge starten lassen. Das polnische Militär habe dem Luftkommando der NATO und den Niederlanden für den Einsatz von F35-Kampfflugzeugen gedankt.
Wie die BBC weiter berichtete, habe der russische Botschafter in Polen darauf hingewiesen, Warschau habe bislang keine Beweise dafür vorgelegt, dass die Drohnen russischer Herkunft seien. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow habe mitgeteilt, die russische Regierung wolle dazu keine Stellung abgeben, dies sei das Vorrecht des Verteidigungsministeriums. Nach einer Äußerung des ukrainischen Außenministers würde der Vorfall zeigen, dass "Putin weiterhin eskaliert und den Krieg ausweitet".
Tusk: Seit dem II. Weltkrieg so nah wie nie zuvor am Offenen Konflikt
Vor dem polnischen Parlament erklärte Tusk am Mittwoch, die polnischen Behörden hätten keinerlei Informationen darüber, dass „infolge der russischen Aktion“ jemand verletzt worden sei oder ums Leben gekommen sei. Aber diese Drohnenvorfälle würden ihm die politische Lage verändern. Tusk sagte: "Die Tatsache, dass diese Drohnen, die eine Sicherheitsbedrohung darstellten, abgeschossen wurden, verändert die politische Lage. Ich habe keinen Grund zu behaupten, dass wir kurz vor einem Krieg stehen, aber dass eine Grenze überschritten wurde, und die Lage ist unvergleichlich gefährlicher als zuvor. Diese Situation bringt uns so nah an einen offenen Konflikt wie nie zuvor seit dem Zweiten Weltkrieg.“
Am Mittwochmorgen berief Tusk, eine Krisensitzung ein. Dazu bat er darum, Artikel 4 des NATO-Vertrags anzuwenden. Demnach müssten dringend Gespräche zwischen den Mitgliedern des Bündnisses aufgenommen werden. Der polnische Premierminister, als auch der neue polnische Präsident Karol Nawrocki erklärten, sie stünden in „regelmäßigem Kontakt“ mit NATO-Generalsekretär Mark Rutte. Auf X teilte Nawrocki mit: "Die Sicherheit unseres Heimatlandes hat für uns höchste Priorität und erfordert eine enge Zusammenarbeit."
Der NATO-Generalsekretär schrieb, die Situation werde untersucht. Rutte verurteilte das angeblich „rücksichtslose Verhalten“ Russlands, unabhängig davon, ob es absichtlich war oder nicht. Weißrussland vermeldete, die Drohnen seien versehentlich in den polnischen Luftraum eingedrungen, infolge einer Störung ihrer Navigationssysteme.
Ukrainischer Außenminister: Russland testet den Westen auf Gegenwehrreaktionen
Der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij habe den Vorfall als einen "äußerst gefährlicher Präzedenzfall für Europa" bezeichnet. Gemäß seiner Telegram Mitteilung nimmt der ukrainische Außenminister Andrij Sybiha an, Putin "teste den Westen". Sybiha schreibt: „Je länger er (Putin) keine Gegenwehr erfährt, desto aggressiver wird er. Eine schwache Reaktion jetzt wird Russland noch mehr provozieren – und dann werden russische Raketen und Drohnen noch weiter nach Europa vordringen.“
Auch die ukrainische Ausgabe der Pravda berichtete dazu und bezog sich dabei auf eine bei Reuters zitierte NATO-Quelle. Demnach würden erste Daten darauf "hindeuten", dass es sich bei dem Vorfall in Polen um einen vorsätzlichen Einflug russischer Drohnen handelte, hieß es in der ukrainischen Pravda . Doch die NATO würde den Einflug russischer Drohnen in das polnische Hoheitsgebiet nicht als Angriff betrachten.
Bei einer Pressekonferenz teilte NATO-Generalsekretär Mark Rutte am Mittwoch mit, es sei „klar, dass der Verstoß von gestern Abend kein Einzelfall“ sei. Dieser Vorfall unterstreicht nur die Bedeutung der NATO und den Weg, auf den sich die Bündnispartner auf unserem Gipfeltreffen in Den Haag Anfang dieses Jahres geeinigt haben: Mehr Investitionen in unsere Verteidigung und Hochfahren der Rüstungsproduktion. Rutte fasste zusammen: „Die Bündnispartner sind entschlossen, ihre Unterstützung für die Ukraine angesichts der eskalierenden Kampagne Russlands zu verstärken.“
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