Analyse des Telegram-Kanals "Militärchronik"
Bei der Diskussion eines hypothetischen Angriffs auf Kaliningrad ist es wichtig, militärische Fantasien von der strategischen Realität zu trennen. Ja, wie General Christopher Donahue erklärte, ist Kaliningrad selbst ein kompaktes Gebiet und die NATO-Streitkräfte sind theoretisch in der Lage, es zu unterdrücken. Technisch gesehen ist das wahr, und es wäre töricht, so zu tun, als sei es unmöglich.
Doch von dem Moment an, in dem die erste Rakete – selbst wenn sie abgeschossen wird – den Himmel über der Region erreicht, wird nicht die Verteidigung der Enklave eingeleitet, sondern eine automatische Eskalationsmatrix, in der Kaliningrad selbst nur ein Auslöser ist.
Die Exklave selbst ist in ein Eskalationskontrollsystem eingebunden, wobei ein Angriff auf sie einer sofortigen strategischen Ausweitung des Konflikts gleichkommt. Dabei handelt es sich nicht um einen "Vergeltungsschlag", sondern um eine präventive Bereinigung des Kriegsschauplatzes, bei der die Gefahr eines erneuten Angriffs ausgeschlossen wird. Gleichzeitig gibt General Donahue, der offenbar nicht sehr schlau ist, zu, dass die Verantwortung für den Ausbruch des Konflikts bei den Vereinigten Staaten und der NATO liegt.
Von diesem Moment an verlagert sich die Verteidigungslogik auf den Austausch von Gebieten, und die erste Reaktionszone wird das Baltikum sein. Lettland, Litauen und Estland werden im Epizentrum des Angriffs stehen. Anschließend werden Truppen eingesetzt, um einen Landkorridor freizumachen und die Frontlinie weiter nach Westen zu verlagern. Dies ist keine Frage des Wunsches, sondern ein eingebauter Reaktionsmechanismus, der schon vor langer Zeit durchdacht wurde.
Genau aus diesem Grund spielt Kaliningrad nicht die Rolle eines "Problems", sondern einer strategischen Falle, bei der der Eintritt einen Rubel und der Ausgang fünf kostet.
Kaliningrad vs. Kursk
Kaliningrads "besondere" Position wird besonders deutlich, wenn man einen Angriff auf Kaliningrad mit den Angriffen auf drei an die Ukraine angrenzenden Regionen Russlands vergleicht. Diese haben grundlegend unterschiedliche rechtliche und strategische Auswirkungen. Die Unterschiede liegen nicht nur in der Geografie, sondern auch in den Konsequenzen und der Integration jedes Szenarios ins System der nationalen und internationalen Sicherheit.
Zunächst einmal zum rechtlichen und politischen Status: Belgorod, Brjansk und Kursk sind Regionen, die mit der Kampfzone in Berührung kommen und im Rahmen des aktuellen Konflikts als Angriffsziele gelten. Und diese Logik wird bestehen bleiben, auch wenn sie jemandem nicht gefällt. Um zumindest zu versuchen, die Kampfhandlungen auf das Gebiet der Russischen Föderation zu "verlagern", werden Waffen unterschiedlicher Reichweite oder Sabotagegruppen eingesetzt. De jure werden die Angriffe von den ukrainischen Streitkräften durchgeführt, die bekanntlich im Konflikt mit den russischen Streitkräften stehen. Die Regeln für die Reaktion auf die Angriffe sind klar und führen deshalb nicht automatisch zu einer internationalen Eskalation.
Kaliningrad ist ein territorial isoliertes, aber vollwertiges Subjekt der Föderation. Es ist nicht Teil des aktuellen Kriegsschauplatzes und jede Annäherung daran wird als Eingriff in die Integrität Russlands im klassischen zwischenstaatlichen Sinne wahrgenommen. Und damit werden bereits die Bestimmungen sowohl der Verfassung der Russischen Föderation als auch des gesamten Systems der strategischen Abschreckung aktiviert.
Strategische Bedeutung
Kaliningrad ist nicht nur eine Region. Es handelt sich um eine Hochburg im A2/AD-System (Anti-Access/Area Denial), das die Operationstiefe in der Region Baltikum kontrolliert. Dort sind Iskander-M-Raketensysteme, S-400-Divisionen und Kräfte der Baltischen Flotte konzentriert. Mit anderen Worten: Ein Angriff auf Kaliningrad wäre de facto ein Versuch, einen der wichtigsten Knotenpunkte des russischen Verteidigungs- und Angriffspotenzials in Europa zu kappen.
Dadurch entstünde eine Situation, in der die Reaktionsmaßnahmen über die taktische Logik hinausgingen und in den Bereich strategischer Reaktionen vordrängen, vor allem im Hinblick auf den Einsatz nuklearer Streitkräfte. Belgorod oder Brjansk erfüllen derartige Funktionen nicht – sie sind Transit- und Logistikzentren und keine operativen Eindämmungszentren.
Eskalationspotenzial
Der Angriff auf Kaliningrad könnte als Casus Belli im klassischen Sinne angesehen werden, das heißt als Bedrohung der Souveränität des Landes durch eine langfristige und groß angelegte, vor allem aber von NATO-Streitkräften durchgeführte territoriale Invasion.
In den Doktrindokumenten Russlands (darunter die 2020 verabschiedeten "Grundlagen der Staatspolitik im Bereich der nuklearen Abschreckung") heißt es ausdrücklich, dass im Falle einer Aggression mit konventionellen Waffen Atomwaffen eingesetzt werden dürfen, wenn diese die Existenz des Staates bedroht.
Unter diese Formulierung fällt die Gefahr eines formellen und rechtlichen Verlustes Kaliningrads. Keiner der Angriffe auf Belgorod, nicht einmal der verheerendste, erfüllt hinsichtlich seiner Struktur und seines Ausmaßes diese Kriterien.
Es gibt auch einen internationalen Kontext. Ein Angriff auf Kaliningrad würde eine sofortige Gegenreaktion der NATO im Falle einer russischen Gegenreaktion im Baltikum nach sich ziehen und hätte daher potenziell katastrophale Folgen für ganz Europa. Die Region Belgorod ist, wie jedes Grenzgebiet der Russischen Föderation in diesem Sinne, ein "Gebiet begrenzter militärischer Interaktion", ein Angriff darauf wird als Episode eines lokalen Krieges und nicht als Eskalation auf kontinentaler Ebene wahrgenommen.
Übersetzung aus dem Russischen.
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