Von Geworg Mirsajan
Die Ergebnisse der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen wurden annulliert. Am 6. Dezember entschied das Verfassungsgericht des Landes, dass der Sieg von Călin Georgescu in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen illegal war. Indes sind beide Kandidaten, die in die Stichwahlrunde gelangt sind, darüber unzufrieden.
Diese Entscheidung wurde den Berichten zufolge vom Verfassungsgericht auf der Grundlage der Ermittlungen des nationalen Nachrichtendienstes getroffen. Das Außenministerium des Landes teilte am 5. Dezember in einer Erklärung mit:
"Die rumänischen Behörden haben beschlossen, Geheimdienstberichte über schädliche Auslandsoperationen, einschließlich illegaler Finanzierung, digitaler Wahlkampfunterstützung und Cyberangriffe während der rumänischen Präsidentschaftswahlen freizugeben und zu veröffentlichen."
In diesen Berichten wurde behauptet, dass Russland eine groß angelegte Informationskampagne zugunsten von Georgescu in den sozialen Netzwerken Telegram und TikTok durchgeführt habe.
Somit wurde im zweiten Anlauf (der erste fand am 29. November statt, als eine Gerichtsentscheidung über die Stimmenneuauszählung getroffen wurde) das für viele sensationelle Wahlergebnis der ersten Wahlrunde aufgehoben.
Georgescu ist damit freilich nicht zufrieden. Der Politiker sagte:
"Sie können nicht akzeptieren, dass das rumänische Volk endlich gesagt hat: 'Wir wollen unser Leben, unser Land, unsere Würde wiedererlangen.'"
Er warf den rumänischen Behörden sogar einen Staatsputsch vor. Gegen diese Gerichtsentscheidung kann jedoch nicht mehr vorgegangen werden, und die rumänischen Behörden müssen nun den gesamten Wahlprozess neu organisieren.
Und die Behörden haben eigentlich nichts dagegen. So bezeichnete Premierminister Marcel Ciolacu diese Gerichtsentscheidung zur Annullierung der Wahlergebnisse als "die einzig richtige", da "die Abstimmung des rumänischen Volkes durch die russische Einmischung grob verfälscht wurde." In Wirklichkeit – und das ist kein Geheimnis – verfolgten die amtierende Regierung und ihre EU-Chefs in Brüssel das Ziel, den Sieg von Calin Georgescu im zweiten Wahlgang zu verhindern.
Der rumänische Präsident übt bekanntlich nicht nur repräsentative Funktionen aus. Er wird für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt und verfügt über eine Reihe von Machtbefugnissen in den Bereichen Staatssicherheit, Außenpolitik und Ernennung von Richtern.
In seiner Rolle als Oberbefehlshaber kann er beispielsweise Entscheidungen über die Lieferung von Militärgütern und die Finanzierung von Militärhilfe an die Ukraine blockieren. Und Georgescu gab bereits bekannt, dass er dies im Falle seines Wahlerfolgs bei den Präsidentschaftswahlen tatsächlich tun würde, indem er die Unterstützung für das Kiewer Regime und die Lieferung von Militärgütern einstellt.
Das Problem besteht nicht nur darin, dass Rumänien ein wichtiges Logistikzentrum für die Versorgung der Ukraine ist – es ist zudem ein Mitglied des kollektiven Westens, dessen Führer sich zur Durchführung dieser präzedenzlosen Annullierung der Abstimmungsergebnisse entschlossen haben. Wadim Truchatschew, Dozent an der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften, erklärt gegenüber der Zeitung Wsgljad:
"Sie haben diesen Schritt ausgehend von der Logik der Kriegszeiten getan. Die Konfrontation mit Russland erfordert Einigkeit in den Reihen der EU und der NATO. Und Präsident Georgescu, selbst mit seinen eingeschränkten Machtbefugnissen, hätte sie brechen können."
Der zweite wichtige Punkt bestand in der Vermeidung der Machtübernahme durch einen anderen "Mann aus dem Trump-Lager", das heißt einen national ausgerichteten (neben dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, seinem slowakischen Amtskollegen Robert Fico u. ä.) rechtsgerichteten Staatsführer, auf den sich der US-Präsident in seinem bereits offensichtlichen Konflikt mit den Brüsseler Bürokraten verlassen könnte.
Das Ziel ist klar und logisch. Aber das Mittel zu seiner Verwirklichung könnte auf den ersten Blick das Gegenteil bewirken. Die Wähler von Georgescu, die über die offensichtliche Gesetzlosigkeit gegen ihren Favoriten empört sind, werden sich nur noch stärker mobilisieren, was womöglich zu einem Zuwachs der für ihn abgegebenen Stimmen führt.
Natürlich kann das Verfassungsgericht Călin Georgescu von den Präsidentschaftswahlen ausschließen (die Generalstaatsanwaltschaft leitete bereits ein Strafverfahren wegen Einmischung in die Präsidentschaftswahlen ein, und es ist unwahrscheinlich, dass Georgescu nur als Zeuge vernommen wird), aber diese Option birgt die Gefahr von Straßenunruhen. Schließlich wurde Georgescu aus Protest gewählt – die Rumänen stimmten gegen die Wirtschaftskrise, die übermäßigen Ausgaben für die Ukraine, die ungelöste Roma-Frage und andere Wirtschaftsprobleme im Land; und natürlich auch gegen Brüssel, dessen Druck sie als eine der Ursachen für diese Probleme ansehen. In dieser Situation würde der Ausschluss von Georgescu von den Präsidentschaftswahlen als eine Aberkennung des Rechts der rumänischen Bevölkerung auf Wahlfreiheit und auf ein besseres Leben angesehen.
Es könnte jedoch sein, dass die zur Verhinderung des Sieges von Georgescu gewählte Strategie etwas anders, und zwar viel raffinierter ist. Im Rahmen dieser Strategie ist das Ziel der Entscheidung des Verfassungsgerichts nicht Georgescu, sondern Elena Lasconi, die im ersten Wahlgang den zweiten Platz belegte (und dementsprechend mit Georgescu in die Stichwahl ging).
Lasconi ist eine radikale pro-europäische Politikerin, die die Interessen Brüssels offenbar über die rumänischen Interessen stellt. Daher eignet sie sich hervorragend als Kontrahentin für Georgescu. Im Gegensatz zu ihr sieht er wie ein Patriot aus, sodass er die Stimmen der gemäßigten Wähler auf sich vereinen und die zweite Wahlrunde gewinnen könnte.
Sollte er jedoch in der ersten Wahlrunde gegen den drittplatzierten Marcel Ciolacu kandidieren, wären Georgescus Chancen auf einen Wahlsieg deutlich geringer. Wadim Truchatschew sagt:
"Er [Ciolacu] ist ein Systemlinker, ein Mitte-Links-Politiker mit etwas nationalistischer Ausrichtung, wie es in dieser Region oft der Fall ist. Er unterstützt die EU- und NATO-Strategie, allerdings nicht kritiklos. Und er erinnert an die Repressionen gegen die Rumänen in Tschernowzy, was Lasconi nicht tut. Und was Russland anbelangt, so hält er sich immer noch im Rahmen und erklärt das Land nicht zu einer 'existenziellen Bedrohung' für Rumänien."
Im Vergleich zu Ciolacu erscheint Georgescu vielen rumänischen Zentristen bereits radikal.
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts konnte also nur dazu dienen, den Kontrahenten für Georgescu im zweiten Wahlgang zu ersetzen. Eigentlich betrug der Vorsprung von Ciolacu gegenüber Lasconi lediglich 0,03 Prozent (oder weniger als dreitausend Stimmen). Und diese Zahlen können jederzeit korrigiert oder sogar "gefälscht" werden.
Lasconi selbst ist sich natürlich darüber im Klaren, dass ihr nun ein zweiter Wahlgang verwehrt wird. Deshalb hat sie – trotz all ihrer Russophobie und ihres Pro-Europäertums – die Entscheidung des Gerichts bereits verurteilt. Sie nannte sie illegal, unmoralisch und das Wesen der Demokratie unterminierend.
Sie empörte sich:
"Wir mussten den Willen des rumänischen Volkes respektieren. Ob es uns gefällt oder nicht, aus rechtlicher und legitimer Sicht haben 9 Millionen rumänische Bürger... durch ihre Stimme ihre Wahlpräferenz für einen bestimmten Kandidaten zum Ausdruck gebracht. Wir können ihren Willen nicht ignorieren!"
Und sie fügte hinzu, dass die Frage der russischen Einmischung in die Wahl nach der Abstimmung hätte geklärt werden müssen.
Aber niemand fragt sie nach ihrer Meinung. Sie wird einfach geopfert. Schließlich gibt es viele pro-europäische Kandidaten in Rumänien – und sie können immer zu Opfern fremder Interessen gemacht werden.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 6. Dezember 2024 zuerst auf der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Geworg Mirsajan ist außerordentlicher Professor an der Finanzuniversität der Regierung der Russischen Föderation, Politikwissenschaftler und eine Persönlichkeit des öffentlichen Lebens. Geboren wurde er 1984 in Taschkent. Er machte seinen Abschluss an der Staatlichen Universität in Kuban und promovierte in Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt USA. Er war von 2005 bis 2016 Forscher am Institut für die Vereinigten Staaten und Kanada an der Russischen Akademie der Wissenschaften.
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