Wer wird der nächste Präsident Polens?

Kurzum: Es ist vollkommen irrelevant. Polens Schicksal wurde bereits vor 35 Jahren auf unflexible, starre Schienen gestellt. Zu Unterhaltungszwecken kann man sich die beiden Zwillingskandidaten der Volksparteien aber durchaus einmal anschauen.

Von Elem Chintsky

Vor wenigen Tagen hat die polnische Regierungspartei Bürgerplattform (Platforma Obywatelska – PO) in einer Vorwahl entschieden, ob Radosław Sikorski oder Rafał Trzaskowski als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen nächstes Jahr gesetzt wird. Der jetzige Chefdiplomat Polens, Sikorski, musste in dieser parteiinternen Abstimmung dem amtierenden Warschauer Stadtpräsidenten Trzaskowski den Vortritt lassen

Falls es Trzaskowski gelingen sollte, im Mai 2025 den Volkswillen an der Wahlurne für sich zu entscheiden, wäre er der zweite (nach Lech Kaczyński, 2002–2005), der vom Stadtpräsidenten Warschaus zum Staatspräsidenten der gesamten polnischen Republik avanciert. Im Jahr 2020 hatte er schon einmal für die PO kandidiert, unterlag aber Andrzej Duda auf dessen erfolgreichem Weg in die zweite Kadenz. Trzaskowski gilt als liberal-progressiver LGBTQ-Sympathisant sowie kompromissloser EU- und NATO-Verfechter, und hat damit die Chance, vor allem die Begeisterung der Großstädte Polens an sich zu reißen.

Obwohl die PO seine ursprüngliche Partei darstellt, startet er gegen die PiS offiziell von der mehrparteiigen Bürgerkoalition aus, die außer die PO auch die polnischen Grünen und die wirtschaftsliberalen von der Nowoczesna in sich vereint. Hierbei handelt es sich um dieselbe Bürgerkoalition, die Donald Tusk zu dem sehr knappen Sieg bei der Parlamentswahl im Oktober 2023 verhalf.

Da bekanntlich zum Tango immer zwei gehören, mit passenden Körpern und willigen Herzen – worauf ein polnischer Pop-Song aus dem Jahr 1997 so vehement besteht – darf auch der Kandidat der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (Prawo i Sprawiedliwosc, PiS) nie weit weg sein: Nur einen Tag nach der Ausrufung Trzaskowskis hat Jarosław Kaczyńskis rechtskonservative PiS einen fähigen Konkurrenten ernannt. Es ist der derzeitige Direktor des Instituts für Nationale Erinnerung (Instytut Pamięci Narodowej, IPN), Karol Nawrocki.

Das IPN ist besonders verhasst unter polnischen Liberalen (also Donald Tusk, und alles leicht rechts und links von ihm) aufgrund der "rechtskonservativen" Unterwanderung durch den Erzfeind PiS seit 2015. Diese soll sich unter anderem darin geäußert haben, dass – trotz der seit Februar 2022 lauten, normativen Agenda "Wir unterstützen die Ukrainer bedingungslos" – das IPN derselben Zeitspanne, den kontroversen, polnisch-ukrainischen Geschichtskapiteln aus dem Zweiten Weltkrieg (vor allem das Wolhynien-Massaker der Ukrainer an ihren polnischen Nachbarn) immer mal wieder mit Erinnerungsarbeit, Ausstellungen und dergleichen gedacht hat. Dasselbe IPN hatte aber unter Nawrocki auch die massenhafte, von Geschichtsrevisionismus getriebene Vernichtung von Denkmälern aus der Sowjetzeit im heutigen Polen zu verantworten.

Der Fairness halber seien als weitere Kandidaten noch der gegenwärtige Sejmmarschall Szymon Hołownia (Gründer der Donald Tusk hörigen Zentrumspartei Polska 2050) und der Monarchist Sławomir Mentzen von der libertär-konservativen Konfederacja genannt. Lediglich Mentzen, der die EU als faschistisches Konstrukt erachtet, kann hier als halbwegs – Russland gegenüber – "gemäßigt" verstanden werden.

Das ganze, von hölzernen Spektakeln betreute Schmierentheater – wenn erst einmal gründlich dekodiert – wird, wie der scharfsinnige Myśl Polska-Autor Łukasz Jastrzębski vor kurzem erläuterte, schmerzhaft offenkundig:

"Für die Polen macht es kaum einen Unterschied, welcher der Kandidaten des jeweiligen Gegners Präsident Polens werden wird. Unabhängig davon, wer von ihnen in den Präsidentenpalast einzieht, wird Polen Vasallenbeziehungen zu den USA, dem Vereinigten Königreich oder Israel unterhalten. Der Wahnsinn der gegenseitigen Lustration, des Durchstöberns von Lebensläufen und des Vorwurfs, ein russischer Spion zu sein, wird weitergehen – das alte Prinzip des Widersachers, auf beide Seiten zu setzen, ist hier im Spiel. Die alte Methode: Kuroń oder Olszewski, Geremek oder Macierewicz, Blumstejn oder Wildstein, Tusk oder Kaczyński, Trzaskowski oder Nawrocki? Ob von links oder von rechts, sie alle dienen dieser amerikanischen Synagoge. Es ist ein künstliches und uns Polen aufgezwungenes System."

Jastrzębski erinnert uns zudem daran, wie hoch die "verhängnisvolle" Grundspannung dieser Wahlen in Polen wirklich ist. Trzaskowski schloss erst die private Cranbrook-Kingswood High School in Bloomfield Hills im US-Bundesstaat Michigan ab, bevor er dann (großzügig von einem Stipendienprogramm von George Soros getragen) an die Oxford Universität gelangte, um später weiter an EU-Institutionen seine Expertise in Internationalen Beziehungen bis in die Unkenntlichkeit zu verfeinern.

Dagegen hatte der "traditionelle und konservative" Karol Nawrocki sich – fern von George Soros, versteht sich – vom International Visitor Leadership Program (IVLP) ausbilden und politisch verfeinern lassen. Das IVLP ist eine entscheidende ideologische Schmiede des US-Außenministeriums.

Das formwandelnde Geschenkpapier, in das jeweils Nawrocki und Trzaskowski für das polnische Volk mühsam eingepackt wurden, unterscheidet sich stark in seinen Mustern, Farben und Symbolen. Der faule, russophobe und Polen selbst langfristig schädigende Inhalt dagegen ist bei beiden nahezu deckungsgleich. Beide Kandidaten, von beiden "politischen Polen" Polens, nehmen sich nicht viel in ihrer Aversion gegenüber dem finsteren und ewig unbegreiflichen Kreml, während sie sich in ihrer bedingungslosen Unterwürfigkeit zu Onkel Sam unermüdlich zu überbieten suchen werden – selbstverständlich auch unter Trump.

Elem Chintsky ist ein deutsch-polnischer Journalist, der zu geopolitischen, historischen, finanziellen und kulturellen Themen schreibt. Die fruchtbare Zusammenarbeit mit RT DE besteht seit 2017. Seit Anfang 2020 lebt und arbeitet der freischaffende Autor im russischen Sankt Petersburg. Der ursprünglich als Filmregisseur und Drehbuchautor ausgebildete Chintsky betreibt außerdem einen eigenen Kanal auf Telegram, auf dem man noch mehr von ihm lesen kann.

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