Von Wladislaw Sankin
Die Hauptintrige des heutigen politischen Montags war ein angebliches Geheim-Telefonat des designierten Präsidenten Donald Trump mit Wladimir Putin. Als der Sprecher des russischen Präsidenten, Dmitri Peskow, nach dem Wochenende zur Arbeit erschien, musste er als Erstes die dringenden journalistischen Anfragen bearbeiten, ob es tatsächlich Gespräche mit Trump gegeben habe, und wenn ja, worüber? Zuvor hatten Washington Post und Reuters für ziemlichen Wirbel gesorgt, als sie berichteten, dass Trump und Putin sich bereits am Donnerstag über den Ukraine-Konflikt ausführlich ausgetauscht hätten. Nichts dergleichen habe es gegeben, versicherte Peskow und beklagte sich wieder einmal über zu viel Fake News.
Aber es gab auch eine andere Meldung am Sonntag, und die ging vom Bundeskanzler Olaf Scholz aus. Er hat bei ARD angekündigt, mit Putin "demnächst" und "zur richtigen Zeit" sprechen zu wollen. Dazu sagte Peskow: Diesbezüglich habe es aus Berlin keine Signale gegeben. Und er versicherte abermals, dass Putin sich vor Kontakten und Verhandlungen nicht verschließe. War die Aussage von Scholz also wieder eine "Null"-Nachricht wie schon mehrfach zuvor (RT DE berichtete hier und hier), als der Kanzleramts-Sprecher oder die Außenministerin Baerbock dazu Stellung nehmen mussten und der Kreml wieder dementieren?
Wie eine solche Nachricht produziert wird, kann man im Script dieses Teils des Gesprächs des Bundeskanzlers mit ARD-Moderatorin Caren Miosga nachlesen:
"Miosga: Sie wollten im Oktober mit Putin telefonieren. Er hat sie abblitzen lassen. Wollen Sie das wieder probieren?
Scholz: Was Sie gerade referieren, sind unterschiedliche, in verschiedene Richtungen gehende Aussagen von Pressesprechern der russischen Regierung.
Miosga: Da Sie hier gerade sitzen, können Sie dazu Stellung nehmen?
Scholz: Ja, ich habe mir vorgenommen, mit dem russischen Präsidenten zur richtigen Zeit zu sprechen, aber ich bin ein verantwortlicher Politiker, ich mache das nicht im Alleingang, weil ich mir das morgens überlegt habe. Das setzt viele Kontakte, Gespräche mit sehr vielen anderen voraus, die ich seit langer Zeit führe übrigens. [Darüber] dass wir immer wieder mit der Ukraine über die Situation sprechen und dass es sich jetzt auch in der Ukraine herumgesprochen hat, dass wenn man sich auf jemanden verlassen kann, dann ist es Deutschland.
Miosga: Wann wäre es denn die richtige Zeit?
Scholz: Gestatten Sie mir, weil es hier um die hohe Kunst der Diplomatie geht: Demnächst."
Hat das sprichwörtliche "Herumscholzen" in der endlosen Saga um Putin-Telefonat überhaupt noch Sinn? Durchaus, meint der politische Analyst Alexander Rahr. Ihm zufolge will Scholz sein Amt als Bundeskanzler behalten. "Aber er wird sich entscheiden müssen, ob er sich mit einem großen Teil der Wählerschaft zusammentut, die eine Lösung der Ukraine-Krise befürwortet, oder ob er weiterhin den Aufrufen der Eliten folgt, die Ukraine um jeden Preis aufzurüsten", sagte er gegenüber der russischer Internetzeitung Wsgljad.
"Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump bemüht sich offenbar bereits um ein Ende der Kampfhandlungen in der Ukraine. Deutschland beginnt zu begreifen, dass auch die EU den Weg der Diplomatie einschlagen muss, da man sonst die Freundschaft und Unterstützung Amerikas in anderen Bereichen verlieren könnte", so Rahr weiter.
Zugleich wies der Politologe auf die Lage hin, in der sich der Bundeskanzler befindet. "Scholz steht unter dem Druck des Mainstreams in den deutschen und Brüsseler Eliten. Für sie ist ein Einfrieren des Konflikts absolut inakzeptabel, weil das ihrer Meinung nach zum Verlust ukrainischer Gebiete führen würde. Bislang denkt man in Berlin darüber nach, Kiew zu bewaffnen, um Russland ohne US-Hilfe zu besiegen. Zu meinem großen Bedauern wird sich die Situation nicht ändern, solange die Grünen in der Regierung sitzen", erklärte der Experte.
Gleichzeitig sei Scholz bestrebt, das Amt des Bundeskanzlers zu behalten. "Er muss sich zwischen zwei Optionen entscheiden: sich mit einem großen Teil der Wählerschaft zu vereinen, die eine Aussetzung der Konfrontation wünscht; oder weiterhin den Forderungen der Eliten zu folgen, die Ukraine um jeden Preis aufzurüsten. In den höchsten Kreisen Deutschlands herrscht immer noch die Meinung vor, dass die ukrainische Seite aus moralischen und 'fairen' Gründen nicht verlieren darf", so Rahr abschließend.
Ähnlich äußerte sich Dmitri Peskow, als er von Journalisten gefragt wurde, ob die Aussage von Olaf Scholz bedeute, dass sich die Position der EU-Vertreter nach dem Sieg von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen geändert habe. Laut Peskow sei es "verfrüht, darüber zu sprechen", aber der Kreml habe "eine gewisse Nervosität, alle Arten von Ängsten der Europäer" im Zusammenhang mit dem neu gewählten amerikanischen Präsidenten beobachtet.
"Es gibt demgegenüber eine Erklärung von europäischen Vertretern, offizielle Erklärungen, die über die Fortsetzung ihrer allgemeinen Linie sprechen, alle Arten von Unterstützung bereitzustellen, und übersetzt auf Russisch: Waffen in die Ukraine zu pumpen, um diesen Krieg bis zum Ende fortzusetzen", sagte der Kreml-Sprecher.
Kaum ist Donald Trump im Amt, und schon geraten die bisherigen "zuverlässigsten" Unterstützer der Ukraine in Turbulenzen. Sie diskutieren über die Frage, ob ein "Putin-Telefonat" stattfinden kann oder nicht, und sie streuen Gerüchte – offenbar um die russische Gesprächsbereitschaft zu sondieren. Nach einer guten künftigen Verhandlungsposition sieht das nicht aus.
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