Militärgericht: Zwei russische Soldaten wegen neunfachen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt

Ein Verbrechen grausamer, unerklärlicher Bestialität hat vor einem Jahr die Kleinstadt Wolnowacha in der Donezker Volksrepublik erschüttert: Zwei Soldaten töteten alle Mitglieder einer neunköpfigen Großfamilie im Schlaf. Am Freitag fällte das Gericht in Rostow am Don sein Urteil.

Es geschah in der ersten von der Donezker Volksmiliz befreiten Stadt Wolnowacha, südwestlich von Donezk. In der Nacht zum 28. Oktober 2023 drangen zwei Soldaten der russischen Armee in ein Einfamilienhaus ein und töteten dort mit Schalldämpfergewehren neun Mitglieder einer Großfamilie im Schlaf, darunter zwei Kinder. Es waren Gäste einer Geburtstagsfeier, die nach der Party bei dem Familienoberhaupt Eduard Kapkanez und seiner Frau Tatjana übernachteten.

Die Mörder kamen mit einem Motorrad und haben die Tat nur noch notdürftig verschleiert. Einer der Verdächtigen wurde 24 Stunden später verhaftet, sein Komplize am Folgetag. Wegen illegalen Eindringens in eine Wohnung und Mordes an mehr als zwei Personen, einschließlich Kindern, aus politischem, ideologischem, rassischem, nationalem oder religiösem Hass wurden die beiden Männer am Freitag vom Militärgericht in Rostow am Don für schuldig befunden. 

Auf Antrag des Staatsanwalts fand die Anhörung in nichtöffentlicher Sitzung statt. Beide Angeklagten wurden zu lebenslanger Haft verurteilt und werden in einer speziellen Strafkolonie mit besonders strengem Haftregime untergebracht. Die Verurteilten haben sich nicht schuldig bekannt und werden gegen das Urteil Berufung einlegen. Diese Eigenangaben sind vermutlich auf anwaltliche Tricks zurückzuführen. Im Juli hieß es aus den Medien, sie hätten die Tat zum Teil eingestanden.

"Die Angeklagten haben sich teilweise schuldig bekannt, aber nicht zugegeben, dass sie die Tat auf eine allgemein gefährliche Weise und aus Hass auf die Nationalität begangen haben", hieß es damals in einer TASS-Meldung. 

Zunächst brachten die Ermittlungsbehörden das Verbrechen mit einem internen Konflikt in Verbindung. Einigen Berichten zufolge hatte der Eigentümer des Hauses am Vorabend des Mordes einen Streit mit dem Militär.

In einer der Versionen heißt es, die Familie habe Schnaps verkauft und sich geweigert, den Militärs kostenlosen Alkohol zu geben. Nach einer anderen Version war der "Grund" für das Massaker eine Bemerkung, die Eduard Kapkanez einige Stunden vor dem Mord gegenüber  betrunkenen Militärangehörigen in einem Lebensmittelladen machte.

In den russischen Medien wurde gemutmaßt, dass Kapkanez proukrainisch eingestellt gewesen sein könnte. Laut dem Nachrichtenportal Tsargrad wurden das Ehepaar Kapkanez und seine Angehörigen Ende Februar 2022 auf ukrainisches Territorium evakuiert. Später sollen sie zurückgekehrt sein. 

Beide Täter, der 21-jährige Stanislaw Rau und der 28-jährige Anton Sopow, stammen aus dem Fernen Osten Russlands. Sie waren Vertragssoldaten und hatten auch den regulären Wehrdienst hinter sich. Einigen Berichten zufolge galten sie als vorbildliche Soldaten und wurden vom Gouverneur der Region ausgezeichnet. Ihre Verwandten seien von den Berichten über die Tat erschüttert, hieß es in einem Bericht von Gazeta.ru.

"Die ganze Familie steht unter Schock. Wir können einfach nicht glauben, dass er so etwas tun konnte", sagte Raus Familie, nachdem sie von dem Mord erfahren hatte. "Ich glaube, es war der Krieg, der ihm den Verstand geraubt hat."

Solche Fälle seien "Geschenke für den Feind", sagte eine mit dem Verfahren vertraute Quelle Tsargrad. Es sei gut, dass es den Ermittlern gelungen sei, die Verdächtigen schnell zu identifizieren und festzunehmen. Dies sei nicht nur die Aufklärung eines äußerst grausamen Verbrechens, sondern auch ein Baustein, um Vorwürfe aus dem Weg zu räumen, die von ukrainischen PsyOps in den öffentlichen Foren der Donezker Volksrepublik und in den ukrainischen Medien gefördert wurden: die Massaker an Zivilisten durch angebliche Tschetschenen oder Mitglieder der Gruppe Wagner.

Damit sei der Vorfall Wasser auf die Mühlen der ukrainischen Propaganda über die "Schrecken der Okkupation" gewesen. Nichtsdestotrotz soll die Tragödie in Wolnowacha ein klarer "Aufruf" an das russische Militär werden, die Disziplin in seinen Einheiten zu verschärfen. Die Verhinderung solcher Situationen sei in hohem Maße eine Garantie für die Stärkung der Loyalität und des Vertrauens der lokalen Bevölkerung.

Das Blutbad in Wolnowacha ist nicht das einzige Verbrechen an Zivilisten unter Beteiligung des russischen Militärs. Im September beschuldigte das russische Ermittlungskomitee vier Soldaten eines Mordes. Sie sollen den freiwilligen Helfer und Militärblogger Russell Bentley durch Folter getötet und ihre Tat verschleiert haben – RT DE berichtete. Das Verfahren wird derzeit beim Militärgericht der Garnison Donezk verhandelt. 

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