Dorn im Auge: EU-Sanktionen gegen Russlands Nuklearsektor können auf Ungarn stoßen

Brüssel will neue restriktive Maßnahmen gegen Russland verabschieden, diesmal im Nuklearbereich. Ziel ist es, die Abhängigkeit von russischer Energie weiter zu reduzieren und Moskaus Einfluss auf die EU-Energieversorgung zu verringern. Budapest könnte erneut sein Veto einlegen.

Brüssel will eine mögliche Einführung der Sanktionen gegen den russischen Nuklearsektor erwägen, wie die Zeitschrift Politico mitteilt. Dan Jørgensen, der voraussichtliche neue EU-Energiekommissar, hat am Dienstag während einer Anhörung im EU-Parlament auf die derzeitige Abhängigkeit von Russlands Atomkraft hingewiesen und versprochen, der Sache auf den Grund zu gehen. Er werde prüfen, ob die Bestrebungen der EU "zur Beendigung der russischen Energieimporte die gesamte nukleare Versorgungskette umfassen können", um die Autonomie der EU-Mitglieder im Energiebereich zu gewährleisten. 

Die EU-Länder, die Moskau besonders kritisch gegenüberstehen, wollen die Restriktionen im Nuklearbereich in das nächste, bereits 15. Sanktionspaket gegen Russland aufnehmen. Solche Diskussionen bedeuten eine Wiederbelebung der Bemühungen, die darauf abzielen, Russlands Nukleareinnahmen zu reduzieren, durch die Moskau während des Ukraine-Krieges weiterhin von europäischen Kunden profitiert, so Politico.

Die Zeitschrift weist darauf hin, dass die neuen Einschränkungen gegen Russland wiederholt auf Widerstand vonseiten Budapests stoßen könnten. Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán hat versprochen, alle Schritte zur Einschränkung der zivilen russischen Atomindustrie zu blockieren. 

Noch im vergangenen Jahr hat Orbán seine Ablehnung von EU-Sanktionen gegen die russische Atomwirtschaft bekräftigt. "Wir werden keine Sanktionen durchlassen, die die ungarische Inflation weiter erhöhen würden. Hier ist der Energiepreis am wichtigsten", so der Politiker. "Und ich werde nicht zulassen, dass man die nukleare Energie in die Sanktionen einbezieht, das ist ausgeschlossen". Er habe Ungarns Entscheidung, ein Atomkraftwerk in der Nähe der ungarischen Stadt Paks mithilfe des russischen staatlichen Atomkonzerns Rosatom auszubauen, stets verteidigt, so Politico

Angesichts dieser Tatsache suchten einige EU-Mitgliedstaaten nach Möglichkeiten, die es erlauben könnten, die Beschränkungen im Nuklearbereich in ein bevorstehendes Russland-Sanktionspaket aufzunehmen, schreibt Politico unter Bezug auf mit der Angelegenheit vertraute Personen.

Eine mögliche Option könnte der Ausschluss Russlands von zukünftigen Nuklearprojekten sein. Es sei jedoch unwahrscheinlich, dass die diskutierten Kompromisse Viktor Orbán umstimmen werden, es sei denn, Ungarn erhält eine spezielle Ausnahmeregelung. Dies erklärte Péter Krekó, Leiter des in Budapest ansässigen unabhängigen Instituts Political Capital, gegenüber Politico.

Krekó sagte, dass Orbán darauf beharren könnte, dass Sanktionen gegen die russische Kernenergie die Energiekosten in der EU in die Höhe treiben würden. Im Falle der sogenannten kleinen modularen Reaktoren (kurz KMR) könnte der ungarische Premierminister argumentieren, dass die Russland-Sanktionen die Entwicklung der Technologie in der EU hindern könnten, fügte der Experte hinzu.

Und dies könnte teilweise wahr sein, schreibt Politico und bezieht sich dabei auf Nuklearexperten. Einige Typen von Kernreaktoren verwenden das Uran mit einem höheren Anreicherungsgrad – das sogenannte HALEU-Uran. Heute sind Russland und China die einzigen HALEU-Hersteller. 

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