Ein Rückgang der Bevölkerung um fast zehn Millionen Menschen – so lautet die demografische Zwischenbilanz der Jahre nach dem Maidan-Putsch vom März 2014 für die Ukraine. Derartige Daten legte Florence Bauer vor, die Regionalleiterin für Osteuropa und Zentralasien beim Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen. Hiervon entfallen etwa acht Millionen auf die Zeit nach Beginn des Eingriffs in den daraufhin ausgebrochenen Bürgerkrieg in Form von Russlands militärischer Sonderoperation. Bauer betonte:
"Selbst noch vor der Kriegseskalation stand die Ukraine beträchtlichen demografischen Mangelerscheinungen gegenüber.
Das Land hatte eine der niedrigsten Geburtsraten Europas. Eine große Zahl von Personen war bereits ausgewandert.
Die Bevölkerung wurde immer älter und ihre Gesamtzahl war im Fallen begriffen."
Diese Trends seien für Osteuropa allgemein nicht untypisch, doch seit Russland seine militärische Sonderoperation begonnen hatte, sei die Geburtsrate auf eine der weltweit niedrigsten von etwa einem Kind pro gebärfähiger Frau gesunken – wobei allein zum Bevölkerungserhalt ein Durchschnitt von 2,1 Kindern pro Frau notwendig ist. Die Logik diktiert, dass sich damit die Sterblichkeit entsprechend stärker auf die Bevölkerungszahl auswirkt. Doch der Großteil der Menschen, die jetzt der Ukraine fehlen, sei in einer Anzahl von etwa 6,7 Millionen aus dem Land geflohen, betonte Florence Bauer.
Heute sei in einigen Landstrichen das Durchschnittsalter der Bevölkerung enorm angestiegen. Es gebe zahlreiche Dörfer, in denen nur noch ältere Menschen leben. Humankapital, das das Land zu seinem Wiederaufbau nach dem Krieg benötigen wird, sei ihm also abhandengekommen, beklagte die UN-Funktionärin.
Somit entspricht der Bevölkerungsverlust der Ukraine in den Jahren nach 2014 einem Viertel der Gesamtbevölkerung, doch viele weisen auf ungenaue Ausgangsdaten hin und sprechen auch von einem Drittel.
Offiziellen Daten laut Kiews Schätzung zufolge betrug die Bevölkerungszahl der Ukraine etwa 41 Millionen Menschen im Jahr 2021, während der letzte Zensus aus dem Jahr 2001, als gut 48 Millionen Menschen gezählt wurden, über 20 Jahre zurückliegt. Experten sprechen davon, dass die Schätzung noch viel zu optimistisch gewesen sei.
Eines der Argumente hierzu zieht die Wahlbeteiligung als Indikator heran: Im Jahre 2004, also nicht lange nach der letzten Volkszählung, nahmen 30,5 Millionen Berechtigte an den Präsidentschaftswahlen teil – im Jahr 2019 aber sei ihre Zahl auf weniger als 19 Millionen Menschen gesunken. Somit könne die Gesamtbevölkerungszahl zum Jahr 2021 keineswegs die offiziell geschätzten 38 bis 42 Millionen, sondern muss um die 30 Prozent weniger betragen haben. Nimmt man die dergestalt korrigierten Daten als Ausgangspunkt, sind die Stand 2024 abgewanderten rund zehn Millionen Bürger von ungefähr 26 bis bestenfalls 30 Millionen Einwohner Stand 2021 abzuziehen, womit der Verlust gut ein Drittel der Gesamtbevölkerungszahl ausmacht.
Kurz zuvor gab Ella Libanowa, Leiterin des ukrainischen Instituts für Demografie und soziale Studien, eine überaus pessimistische Vorhersage ab: Bei dem jetzigen Durchschnittsalter der Bevölkerung und der niedrigen Geburtsrate der Ukraine würde nicht einmal eine magische millionenfache Rückeinwanderung in das Land (sie hielt bis zu vier Millionen für theoretisch denkbar) seine demografische Entwicklung retten können.
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