Neues aus dem Vatikan: Der Papst kritisiert Russland, sein Sondergesandter trifft Lawrow in Moskau

Der Heilige Stuhl steht im Zentrum von Kiews diplomatischen Bemühungen, eine moralische Instanz mit Einfluss im Globalen Süden für sich zu gewinnen. Nach einem Selenskij-Besuch letzte Woche im Vatikan besucht nun ein Sondergesandter des Papstes Moskau.

Der Kardinal und Sondergesandte des Papstes für die Beilegung des Konflikts in der Ukraine, Matteo Zuppi, traf am 14. Oktober zu einem Arbeitsbesuch in Moskau ein. Er führte Gespräche mit dem russischen Außenminister Sergei Lawrow, teilte das russische Außenministerium anschließend mit.

"Während des Gesprächs erörterten die Parteien ausführlich die Interaktion im humanitären Bereich im Kontext des Konflikts um die Ukraine und sprachen eine Reihe aktueller Themen der bilateralen und internationalen Agenda an", so das Außenministerium in einer Erklärung auf seiner Website. Im Anschluss an das Treffen wurde "die konstruktive Entwicklung des russisch-vatikanischen Dialogs festgestellt", so das Ministerium, aber es wurde keine spezifische Agenda im Zusammenhang mit dem Ukraine-Konflikt genannt.

Zuvor hatte die italienische Nachrichtenagentur ANSA berichtet, dass Zuppi "in den kommenden Stunden" in der russischen Hauptstadt eintreffen werde. Anders als beim letzten Besuch in Juni des vergangenen Jahres kündigte der Vatikan die Reise nicht im Voraus an. Damals traf Zuppi mit dem russischen Präsidentenberater Juri Uschakow zusammen, wurde von Patriarch Kirill von Moskau und ganz Russland empfangen und führte Gespräche mit Maria Lwowa-Belowa, der Ombudsfrau für Kinderrechte.

Leonid Sewastjanow, Vorsitzender der Internationalen Union der Altgläubigen, der sich seit Mai 2022 als Vertrauter des Papstes und "Friedensbotschafter" in Moskau präsentiert, erklärte gegenüber der russischen Zeitung Wedomosti, dass auf der Tagesordnung der Zuppi-Gespräche drei Themen stünden: Erstens die Rückführung aller Minderjährigen mit ukrainischer Staatsbürgerschaft in die Ukraine, zweitens der Austausch von Kriegsgefangenen "alle gegen alle", drittens der Austausch von Staatsbürgern der jeweils anderen Seite, die von den Behörden der beiden Länder in Gewahrsam gehalten werden. 

Der 69-jährige Matteo Maria Zuppi ist Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz. Außerdem ist er der Gemeinschaft von Sant'Egidio eng verbunden, die für den Vatikan schon wiederholt in delikaten Vermittlerfunktionen bei internationalen Konflikten tätig war.

Der Vatikan steht im Zentrum der ukrainischen diplomatischen Bemühungen. Für Kiew gilt der Pontifex als Vertreter des Globalen Südens, der russlandfreundlich ist und die "westlichen Werte" im Bezug auf den Konflikt mit Russland nicht teilt. Auch wird Papst Franziskus von vielen Vertretern innerhalb der katholischen Kirche und in den Medien für seine beschwichtigende Rhetorik und angebliche Milde gegenüber Russland kritisiert. 

Insbesondere angesichts der letzten diplomatischen Misserfolge, als der Westen der von Kiew geforderten Lieferung von Langstreckenwaffen nicht zustimmte, ist es für Kiew wichtig, Franziskus auf seine Seite zu ziehen. Um den Papst davon zu überzeugen, dass Russland einen grausamen Krieg gegen die Ukraine führt, besuchte Wladimir Selenskij am 11. Oktober Papst Franziskus zum dritten Mal und schenke ihm das Gemälde mit dem Porträt eines Mädchens aus Butscha, dessen Eltern angeblich von russischen Soldaten getötet wurden. Er bat auch um die Vermittlung bei der Rückführung von ukrainischen Soldaten und Zivilisten aus russischer Gefangenschaft. 

Der Papst soll Selenskij im Gegenzug eine Bronzetafel mit einer Blume und der Inschrift "La Pace e un fiore fragile" (Frieden ist eine zerbrechliche Blume) sowie ein frisch gedrucktes Buch über die Verfolgung der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche in der Sowjetunion geschenkt haben. Viele sahen darin versteckte Kritik am Verbot der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche in der heutigen Ukraine.  

Im März 2023 beschrieb der Papst gegenüber dem Schweizer Fernsehsender RSI den Konflikt als einen Zusammenstoß zwischen "allen großen Mächten dort [in der Ukraine]" und das Land selbst als ihr "Schlachtfeld". Laut Franziskus sagte er, dass er "am zweiten Tag des Konflikts" im Februar 2022 "in die russische Botschaft kam, sagte, er sei bereit, nach Moskau zu gehen, und bat [den russischen Präsidenten Wladimir] Putin um ein Zeitfenster für ein Treffen mit mir". Dem Pontifex zufolge teilte ihm Lawrow daraufhin mit, dass es "nicht der richtige Zeitpunkt dafür" sei. 

Beim traditionellen Mittagsgebet am Sonntag auf dem Petersplatz beschuldigte Papst Franziskus Russland schließlich des Bombenterrors an Zivilisten. Deutsche Kirchenmedien zitieren seinen Appell mit den Worten: "Wir dürfen die Menschen in der Ukraine nicht erfrieren lassen! Mögen die Luftangriffe gegen die Zivilbevölkerung aufhören. Es reicht mit dem Ermorden unschuldiger Menschen!" 

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