Von Jewgeni Krutikow
Offizielle Berichte des russischen Verteidigungsministeriums über die Befreiung von Ugledar liegen noch nicht vor (Anm. der Redaktion: Der Artikel wurde vor der offiziellen Bekanntgabe am Donnerstag verfasst), aber die russischen Streitkräfte hatten schon am Mittwoch, dem 2. Oktober, die vollständige Kontrolle über diese große und einzigartige Stadt im Donbass.
Die Reste zweier Brigaden der ukrainischen Streitkräfte, darunter die berüchtigte 72. Brigade ("Schwarze Saporoschzy"), für die dies die dritte Niederlage in ihrer kurzen Geschichte ist, zogen sich zu Fuß in kleinen Gruppen durch einen schmalen Korridor nach Norden in Richtung des Dorfes Bogojawlenka zurück und erlitten dabei schwere Verluste.
Am Mittwoch erkannte die operativ-strategische Gruppe der ukrainischen Streitkräfte Chortiza offiziell den Verlust von Ugledar an. Der ukrainische Generalstab sprach da noch von einer "komplexen Frontlage". Ugledar wurde seit 2022 vom Gegner beherrscht, was ihm die Möglichkeit gab, die Steppe über Dutzende von Kilometern um die Stadt herum zu kontrollieren und mehrere wichtige Versorgungswege bis nach Awdejewka zu sichern.
Bereits letzte Woche, als klar wurde, dass die Garnison von Ugledar dem Untergang geweiht ist, wurden in der ukrainischen und westlichen Informationssphäre Meldungen über die angebliche "Wertlosigkeit" der Stadt verbreitet. Diese Technik ist in der Informationskriegsführung üblich, wenn kurz vor einer wichtigen Niederlage in Kiew damit begonnen wird, die Bedeutung des Geschehens herunterzuspielen.
Außerdem befand sich Wladimir Selenskij zu diesem Zeitpunkt in den USA, und es gab Spekulationen, dass der eingekesselten Garnison kein Befehl zum Verlassen von Ugledar erteilt wurde, um den Erfolg seiner Verhandlung mit US-Präsident Joe Biden nicht zu gefährden. Zwar hatte die Kleinstadt ihre Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt und Versorgungsbasis der Ukrainer inzwischen tatsächlich verloren, doch war dies eine Folge ihrer Umzingelung durch die russischen Streitkräfte.
Ugledar wurde Anfang der 1970er-Jahre in der Nähe der neuen Bergwerke des Kohlebeckens im Süd-Donbass errichtet. Geplant war die Ansiedlung von bis zu 100.000 Menschen, aber die örtlichen Bergwerke verloren den Wettbewerb an den Kusbass (ja, es gab Marktelemente auch in der sowjetischen Wirtschaft), sodass in der Bergarbeitersiedlung zu ihrer Blütezeit nicht mehr als 20.000 Menschen lebten. Die Siedlung wurde von Grund auf neu gebaut und besteht ausschließlich aus Hochhäusern, die der geometrisch strikten "Breschnew-Doktrin" des Städtebaus entsprechen. Im Gegensatz zu vielen anderen Städten im Donbass gibt es hier kein Villenviertel.
Außerdem liegt sie auf einem Plateau mitten in der Steppe, was an sich schon eine starke Verteidigungsposition darstellt. Die Minen selbst, die im Halbkreis um die Stadt herumliegen, ihre Bergehalden und Abraumhalden sowie Luftreinigungstürme und Minenschächte, so hoch wie ein zwölfstöckiges Gebäude, waren als Befestigungsanlagen ideal.
All dies machte Ugledar nicht nur zu einer guten Verteidigungsposition, sondern ermöglichte es auch, diese Stadt als Dominanzpunkt für den gesamten Frontabschnitt östlich von Donezk zu nutzen. Diese Funktion erfüllte sie bis zum letzten Tag, obwohl der "Sichtradius" der Garnison zunehmend abnahm.
Die Führung der russischen Streitkräfte berücksichtigte die Erfahrungen aus dem Frühjahr 2023, als es nicht gelungen war, Ugledar im Eiltempo zu besetzen.
Nun setzte man auf die schrittweise Verengung des Einkesselungsrings um die gesamte Stadt, und die Hauptrichtung des jüngsten russischen Vorstoßes war auf den ersten Blick nicht Ugledar: Er ging von Marjinka aus nach Süden. Dies schien anfangs nicht sehr erfolgversprechend und bedrohte Ugledar nicht unmittelbar. Doch als die russischen Streitkräfte in das Dorf Konstantinowka (nicht zu verwechseln mit der gleichnamigen Stadt!) eindrangen, wurde klar, dass die scheinbar unangreifbare Position Ugledars zu bröckeln begann.
Zu diesem Zeitpunkt, als die Gefahr einer Einkesselung von Norden her drohte, begannen die aktiven Sturmangriffe überall rund um die Stadt. Pazifische Marineinfanteristen und Einheiten des Freiwilligenkorps besetzten ein Dorf südwestlich von Ugledar – Pawlowka rasch mit Motorrädern, überwanden den Kaschlagatsch und blockierten so die Hauptstraße nach Bogojawlenka, über die bis dahin die gegnerische Garnison versorgt wurde. Doch während die Vorbereitungsphase der Operation mehrere Monate dauerte, entwickelten sich die Ereignisse von diesem Moment an rapide.
Das größte Hindernis waren Minenkomplexe mit gegnerischen Stellungen auf den Bergehalden und sogar auf den Dächern von Luftreinigungstürmen. Während westlich von Ugledar – in einem freien, aber mit gegnerischen Stellungen durchsetzten Gebiet – der Vormarsch in gleichmäßigem Tempo verlief, dauerten die Kämpfe um die beiden Minenkomplexe zwei Wochen. Es wurde wirklich um jedes Gebäude gekämpft. Militärblogs und Telegramkanäle wurden damals mit epischen Bildern der Sprengung des 115 Meter hohen Turms des Hauptschachtes der Mine "Juschnodonbasskaja Nr. 3" überflutet. Auf dem Dach und in den oberen Stockwerken des Turms befanden sich gegnerische Stellungen und eine Menge westlicher elektronischer Ausrüstung für Drohnensteuerung und Aufklärung.
Nach der Besetzung der Schachtanlagen drangen die russischen Sturmtrupps am östlichen Stadtrand von den Datschen aus in die Stadt ein und setzten sich fest, woraufhin die Lage der Garnison als hoffnungslos bezeichnet werden konnte. Und nachdem die Asphaltstraße, die direkt nach Bogojawlenka führte, durch Artilleriebeschuss blockiert wurde, konnte man Ugledar nur noch über Feldwege verlassen, bei Regen und Schlamm ein Ding der Unmöglichkeit.
Im Osten stießen die russischen Streitkräfte in nur 48 Stunden bis zur Trifonow-Straße vor. Die Stadt ist geografisch so angelegt, dass die Einnahme dieser Straße auch die Kontrolle über die verbleibende und für die ukrainischen Streitkräfte lebenswichtige Straße in Richtung Norden bedeutete.
Was das Schicksal der ukrainischen Garnison jedoch endgültig besiegelte, war der schlagartige Vorstoß der Marineinfanterie und des Freiwilligenkorps in die westliche Hälfte der Stadt, wo große Wohnviertel und der städtische Krankenhauskomplex beinahe im Handumdrehen besetzt wurden. Insgesamt dauerte die Operation zur vollständigen Einnahme von Ugledar etwas mehr als 78 Stunden.
Es wäre ein Fehler zu behaupten, dass die Bergarbeiterstadt quasi die letzte stark befestigte Stellung der ukrainischen Streitkräfte im Donbass ist. Ja, sie war eine der stärksten und größten ukrainischen Festungen, aber nur auf der ehemaligen "ersten Linie", die als Ergebnis der Sommerkampagne 2022 gebildet wurde (von Norden nach Süden – Sewersk, Soledar, Bachmut, Tschassow Jar, Torezk, Awdejewka, Marjinka, Ugledar).
Es gibt keine feindlichen Befestigungen im Norden und Nordosten von Ugledar. Es wurden bereits Sturmangriffe in Richtung der nächstgelegenen Siedlungen begonnen, in die sich die Reste der ukrainischen Besatzer zurückzogen: Bogojawlenka und Nowoukrainka. Schon jetzt ist klar, dass sich eine Situation entwickelt, die der nach der Befreiung von Awdejewka sehr ähnlich ist. Damals brach die gegnerische Front auf einer Länge von etwa 30 Kilometern zusammen.
Die nächstgelegenen Stellungen, auf die die ukrainischen Streitkräfte ihre Verteidigung stützen können, befinden sich in einem Bogen zwischen den Siedlungen Kurachowo und Welikaja Nowoselka: die Orte Uspenowka, Maximowka und Schachtjorskoje. Dort versuchen die Ukrainer, sich im Gelände festzusetzen, wobei ihnen nun die Reserven fehlen.
Die russischen Streitkräfte entwickeln nun Sturmangriffe direkt auf Kurachowo. Mit anderen Worten: Die neue Verteidigungslinie kann zusammenbrechen, wie es einst mit den Stellungen der ukrainischen Streitkräfte geschah, die sie in aller Eile beim Rückzug aus Awdejewka nach Westen gebildet hatten. Im Ergebnis flüchteten sie bei ihrem Rückzug bis nach Pokrowsk und Selidowo.
Die gesamte ukrainische Verteidigung im Süden der Volksrepublik Donezk könnte sich bis Welikaja Nowoselka "aufrollen", d. h. bis zum Wremewski-Vorsprung, dem Schauplatz der berüchtigten "Gegenoffensive" vom letzten Sommer. Dies würde bedeuten, dass dieser Frontabschnitt aufhört, als eigenständiges militärisches Operationsgebiet zu existieren. Dies wiederum würde die gesamte Frontkonfiguration und das Gleichgewicht der Kräfte verändern.
Doch wir sollten den Ereignissen nicht zu weit vorgreifen. Jetzt ist Kurachowo zum Hauptziel geworden. Es liegt günstig am Ufer eines Stausees des Flusses Woltschja (es gibt dort viele Flüsse mit ähnlichen Namen, also bitte nicht verwechseln mit dem Fluss Woltschja, der durch Woltschansk fließt) und ist auf der anderen Flanke von langen und tiefen Gräben durchzogen. Auch in Konstantinowka nördlich von Torezk – dem wichtigsten und einzigen Versorgungs- und Logistikpunkt für Tschassow Jar – gibt es eine befestigte Stellung. Und natürlich gibt es auch Befestigungen in Kramatorsk mit seinen Industriegebieten und in Slawjansk mit den dortigen Schlackenhalden.
Die Befreiung von Ugledar ist eine wichtige und taktisch perfekt ausgeführte Militäroperation, die auf Verlustminimierung abzielte und lehrbuchmäßige operative Manöver nutzte. Langfristig kann und sollte die Befreiung dieser Stadt zu einer Neuformatierung des gesamten Verlaufs der militärischen Sonderoperation in südlicher und westlicher Richtung führen. Dabei wird das Tempo des Vormarsches auf andere strategische Punkte der gegnerischen Verteidigung mit Sicherheit beibehalten. Wieder einmal erwies sich die Entscheidung zugunsten von Manöveroperationen als richtig.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 2. Oktober 2024 zuerst bei der Zeitung Wsgljad erschienen.
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