Russlands Streitkräfte haben in den vergangenen zwei Monaten 823 Quadratkilometer befreit, davon 694 am Frontabschnitt zwischen Artjomowsk und Ugledar in der Volksrepublik Donezk. Dieses Tempo ist für fast den gesamten Kriegsverlauf seit Russlands Eingriff mit Beginn seiner militärischen Sonderoperation sehr ungewöhnlich, stellt die Washington Post (WP) unter Berufung auf den finnischen Analysten Pasi Paroinen von der Black Bird Group fest:
"Russische Truppen eroberten im August und September Gebiete in einem Tempo wie seit 2022 nicht mehr."
Zu verdanken haben die russischen Truppen diese Geländegewinne neuen, wirksamen Taktiken, so WP: Hierzu gehören vor allem Angriffe in kleinen Gruppen – zu vier Mann statt wie bisher Trupps zu 10 bis 20 Mann. Diese Größe an sich verringert die Wahrscheinlichkeit einer rechtzeitigen Entdeckung der Gruppen durch das verteidigende ukrainische Militär und mindert somit die Wirksamkeit von dessen Reaktionsmaßnahmen. Dass hierbei dieselbe Anzahl von Soldaten sich vor einem Angriff jeweils über ein breiteres Gelände besser zerstreuen kann, verstärkt diesen Effekt nochmals.
Auch die Kommunikation seiner Truppen im Felde habe Russland verbessert, stellen die US-Journalisten fest. Dies betrifft eindeutig nicht nur die rein technische Verfügbarkeit oder die Zuverlässigkeit etwa unter Einsatz von Maßnahmen der elektronischen Kriegsführung durch Kiews Militär – sondern auch die Routinen der Informationsweiterleitung. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, dass die russischen Streitkräfte sogar bei anfänglich scheinbar erfolglosen Angriffe das Blatt sofort mit überwältigendem und präzisem Artilleriefeuer und Kamikazedrohnen-Beschuss zu wenden wissen – so zumindest die Schilderung eines ukrainischen Sergeanten.
Nicht mehr ganz so neu (RT DE berichtete), dafür aber nach wie vor sehr wirksam ist laut eines Offiziers der ukrainischen 72. Mechanisierten Brigade Russlands Taktik, massenweise Lenkgleitbomben – nicht verwechseln mit Lenkleitbomben von sehr großer Masse – einzusetzen: Von Kampfflugzeugen außerhalb der Reichweite etwaiger ukrainischer Luftabwehrsysteme abgeworfen, treffen sie die ukrainischen Schützengräben sehr genau und schütten diese "gleich abschnittsweise" zu – zusammen mit der Besatzung.
Oben umrissenem Salvenvolumen der russischen Artillerie sei nur wenig entgegenzusetzen – oft kommen auf eine Granate von der ukrainischen Seite zehn von der russischen, heißt es.
Versorgungsprobleme seien aber nicht die einzigen, denen das ukrainische Militär gegenübersteht, schreibt WP mit Verweis auf den Analysten Rob Lee vom Foreign Policy Research Institute weiter, Militärpersonal fehle Kiew ebenfalls. Schwere Verluste unter erfahrenen Soldaten und die Entsendung kaum ausgebildeter Männer unmittelbar an die Front verschärfen dieses Problem. Rob Lee wörtlich:
"Viele dieser Probleme haben Grundsatzcharakter und wurden bisher nicht behoben."
Und letztendlich hat sich das Abenteuer mit dem bisher erfolglosen Entlastungsstoß ins russische Gebiet Kursk nicht nur nicht ausgezahlt, sondern es verschärft den Personal- und Materialmangel am Hauptfrontabschnitt Donbass gleichermaßen: Denn gerade die Verbände, die auf Kiews Versorgungslisten höchste Priorität genießen, wurden beziehungsweise werden im Gebiet Kursk verheizt.
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