Dieses Bild zeichnete sich schon in einigen Äußerungen polnischer Politiker in den letzten Wochen ab: Polen hat nicht genügend im Land lebende Ukrainer gefunden, um die Brigade zu vervollständigen, die dann in die ukrainischen Streitkräfte entsandt werden sollte. Nun hat der Verteidigungsminister Władysław Kosiniak-Kamysz das Scheitern des Projekts bestätigt. In einem Interview mit Wirtualna Polska sagte er:
"Wir sind nicht für die Rekrutierung zuständig, aber die Zahl der Personen, die von ukrainischer Seite [in die Brigade] eingezogen werden sollten, ist zu gering. Wir haben uns darauf vorbereitet."
Der Minister erklärte, dass Polen nicht für die Rekrutierung, sondern für die Ausbildung des militärischen Personals zuständig sei, und wies darauf hin, dass die ukrainischen Erwartungen, mehrere tausend Freiwillige in Polen und anderen EU-Ländern zu rekrutieren, nicht erfüllbar gewesen seien.
Damit ist der erneute Versuch, eine bewaffnete antirussische Militäreinheit in Europa aufzustellen, offiziell gescheitert. Zur Erinnerung: Noch am 8. Juli erklärte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij, dass in Polen eine militärische Einheit mit der Bezeichnung "Ukrainische Legion" aufgestellt werden soll, der die in der Europäischen Union ansässigen ukrainischen Bürger auf freiwilliger Basis beitreten können. Wie später bekannt wurde, sollten zwei mechanisierte Brigaden bis zum Jahr 2025 in Europa rekrutiert und ausgebildet werden – RT DE berichtete.
Daraus wurde nichts. Die ukrainischen Männer, die vor den im ganzen Land berüchtigten Mobilisierungskommandos geflohen sind, wollen einfach unter keinen Umständen an die Front. Diese mangelnde Bereitschaft, für die Regierung Selenskij in den Kampf gegen Russland zu ziehen, könnte man als Zeugnis des wahren Verhältnisses zum Krieg und zu den politischen Prozessen im Land bezeichnen.
Im Interview äußerte der polnische Verteidigungsminister auch sein Missfallen gegenüber der ukrainischen Position zum Wolhynien-Massaker und kritisierte erneut den Ex-Außenminister Dmitri Kuleba für seine Aussagen in Polen, das Problem sei nun die Sache der Historiker. Er sagte, dass er eine andere Meinung als der polnische Präsident Andrzej Duda in der Frage des EU-Beitritts der Ukraine habe. Laut Duda diene es den Interessen Putins, die Exhumierung der Opfer des Wolhynien-Massakers als Bedingung zum Beitritt zu stellen. Die Einigung in historischen Fragen zwischen EU-Mitgliedern sei laut Kosiniak-Kamysz dagegen ein fundamentales Prinzip.
Kosiniak-Kamysz fügte hinzu, dass Warschau als erstes Land militärische Hilfe nach Kiew geschickt habe, aber "die Ukraine erinnert sich nicht mehr daran". Trotz dieser kritischen Töne ist er der Meinung, dass Polen der Ukraine weiterhin militärische Unterstützung leisten müsse. Auf die Frage, wie es um die politischen Beziehungen Polens zur Ukraine bestellt sei, erklärte der Verteidigungsminister: "Die Frage der militärischen Hilfe ist eine Frage der Menschlichkeit und unserer Sicherheit, aber wirtschaftliche oder historische Fragen müssen geklärt werden."
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