Dänemarks Premierministerin Mette Frederiksen hat erklärt, dass die Verbündeten der Ukraine die Idee von "roten Linien" bei der Unterstützung Kiews aufgeben und den ukrainischen Streitkräften den Einsatz westlicher Waffen für Angriffe auf militärische Ziele in Russland erlauben sollten. Diese Ansicht äußerte die Politikerin in einem Interview mit Bloomberg:
"Mein Vorschlag ist: Lassen Sie uns die Diskussion über rote Linien einstellen. Es war ein Fehler, während dieses Konflikts eine öffentliche Diskussion über rote Linien zu führen."
Weiter stellte die Premierministerin fest, dass solche Diskussionen "den Russen eine zu gute Karte in die Hand gegeben hatten". Frederiksen wies alle Annahmen zurück, dass die Erlaubnis für die Ukraine, vom Westen bereitgestellte Waffen für Angriffe auf Ziele tief in Russland zu verwenden, eine Eskalation bedeuten würde, die Kiews Verbündete in den Konflikt hineinziehen würde:
"Die wichtigste rote Linie ist bereits überschritten. Das war, als die Russen in die Ukraine einmarschierten. Deshalb werde ich diese Ausrede nicht akzeptieren und niemals zulassen, dass jemand aus Russland entscheidet, was in der NATO, in Europa oder in der Ukraine richtig ist".
Frederiksen bezeichnete den Konflikt als "global", bezweifelte jedoch, dass Russland ihn ohne fremde Hilfe beispielsweise aus China in Europa ausweiten könne:
"Was wir derzeit sehen, ist, dass sich Russland mit Nordkorea und Iran zusammenschließt. Ich glaube nicht, dass Moskau eine umfassende Kriegführung in Europa ohne die Hilfe Chinas durchführen könnte, leider. Das ist kein europäischer Konflikt, sondern ein globaler Konflikt und die Folgen sind sehr ernst."
Ferner erwähnte Frederiksen, dass Dänemark begonnen habe, direkt in die ukrainische Rüstungsindustrie zu investieren, um das militärische Potenzial des Landes zu stärken. Sie sagte, dass dieser Ansatz effektiver sei und dass sie helfen wolle, mehr Mittel aufzubringen:
"Um ehrlich zu sein, sind die Ukrainer einfach schneller. Das ist vielleicht das größte Zeichen dafür, dass wir noch immer in einem friedlichen Verständnis von Industrie, Bürokratie, Regeln, Ausschreibungen und anderen Hindernissen sind, die wir uns in Europa auferlegt haben. Die Ukrainer haben das nicht."
Außerdem betonte die dänische Regierungschefin, dass jeder Weg zum Frieden die Zustimmung beider Seiten erfordere. Sie erklärte, dass es Russland nicht erlaubt werden könne, auch nur einen Teil der Ukraine zu annektieren. Zudem äußerte sie sich skeptisch über die möglichen Vorteile der derzeitigen Verhandlungen für Präsident Wladimir Putin und wies auf seine "bisherigen Aktionen in verschiedenen Regionen sowie seine Cyberangriffe und Desinformationskampagnen gegen Europa" hin:
"Wenn man sich das Verhalten Russlands nicht nur in der Ukraine, sondern auch auf dem Westbalkan, im Nahen Osten, in Afrika und im Sahelraum ansieht, sieht man ein Russland, das versucht, diese Welt zu destabilisieren. Ich bin nicht einverstanden mit der Argumentation, dass, wenn wir ihm erlauben, die Ukraine oder Teile der Ukraine einzunehmen, er zufrieden sein wird".
Nach Angaben des Kieler Instituts für Weltwirtschaft belief sich die dänische Militärhilfe für die Ukraine bis Ende Juni auf 6,37 Milliarden Euro. Damit liegt das Land nach den USA, Deutschland und Großbritannien an vierter Stelle weltweit und mit 1,72 Prozent an erster Stelle, was den Anteil am BIP angeht. Dänemark hat unter anderem 19 F-16-Kampfflugzeuge an die Ukraine geliefert.
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