Fast zwei Monate nach der Parlamentswahl in Frankreich hat der französische Präsident Emmanuel Macron den früheren EU-Kommissar und Brexit-Verhandlungsführer Michel Barnier zum neuen Premierminister ernannt. Das teilte der Élysée-Palast am Donnerstagnachmittag mit. In der Mitteilung heißt es:
"Der Präsident der Republik hat Herrn Michel Barnier zum Premierminister ernannt. Er hat ihn beauftragt, eine Einheitsregierung im Dienste des Landes und des französischen Volkes zu bilden.
Diese Ernennung erfolgt nach einer beispiellosen Konsultationsrunde, in der der Präsident in Übereinstimmung mit seiner verfassungsmäßigen Pflicht dafür gesorgt hat, dass der Premierminister und die künftige Regierung die Bedingungen erfüllen, um so stabil wie möglich zu sein und sich selbst die Möglichkeit zu geben, so viele Menschen wie möglich zusammenzubringen."
Ob der frühere EU-Kommissar am Ende tatsächlich eine stabile Mehrheit im Parlament organisieren kann, ist unklar. Die Parlamentswahl vor zwei Monaten hatte keine klaren Mehrheiten ergeben. Das Linksbündnis Nouveau Front populaire hatte nach Absprachen mit dem Macron-Lager in der zweiten Runde der Wahl die meisten Sitze errungen. Es ging darum, einen Sieg des Rassemblement National zu verhindern, das in der ersten Runde die mit Abstand meisten Stimmen auf sich vereinen konnte. Macron wollte eine Regierung des "siegreichen" Linksbündnisses allerdings nicht zulassen.
Der 73-jährige Barnier ist ein Veteran der französischen Politik. Seit den 1970er-Jahren saß er als Abgeordneter mehrerer bürgerlicher Parteien in beiden Kammern des Parlaments und diente in verschiedenen Regierungen als Minister. Von 2010 bis 2014 war er EU-Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen und als solcher für die Aufsicht über Finanzdienstleister und den "Abbau von Markthindernissen" zuständig. Danach war er Chefunterhändler der EU-Kommission für den Brexit.
Barniers Name war bereits seit Wochen für den Posten als Ministerpräsident im Umlauf. Medienberichten zufolge wurde er von Macron als eine "realistische Option" bezeichnet. Im Juni hatte Barnier Macron noch scharf für das Ausrufen vorgezogener Neuwahlen kritisiert und ihn gewarnt, dass er von den französischen Wählern gedemütigt werden könnte.
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