Von Michail Katkow
Finnland verhandelt mit mehreren NATO-Staaten über eine Stationierung ihrer Truppen, berichtete der Verteidigungsminister des Landes Antti Kaikkonen gegenüber der Zeitung Yle. Gegenwärtig ist Finnland der einzige an Russland grenzende Mitgliedsstaat der Allianz, in dem keine Truppen der Verbündeten stationiert sind. Medienangaben zufolge soll dort in nächster Zeit eine Panzerbrigade erscheinen. Darüber hinaus sei Helsinki zu großangelegten internationalen Manövern im Falle von "Spannungen an der Grenze" bereit.
"Es soll genug Truppen geben, damit es für Krisensituationen reicht", bemerkte Kaikkonen. Er fügte hinzu, dass Finnland über "Objekte und Strukturen" verfüge, die eine längere Stationierung dieser Kräfte ermöglichen. Darüber hinaus beschloss die Regierung des Landes im Juni, das Kommando der NATO-Bodentruppen bei sich zu stationieren.
Der Minister gab nicht an, welche Länder konkret Truppen schicken werden. Nach Angaben der Zeitung Iltalehti könnte es sich um 4.000 bis 5.000 Schweden und Norweger handeln, die in der grenznahen Stadt Mikkeli stationiert werden sollen.
Im April hatte noch der Kommandeur des finnischen Militärs Janne Jaakkola behauptet, dass die eigene Armee durchaus kampfbereit sei und dass es keinen Sinn habe, sich an andere mit der Bitte um Hilfe zu wenden. Doch haben die NATO-Verteidigungsminister bei ihrem Treffen im Mai anders entschieden.
Der Nordfeldzug
Finnland trat der NATO vor dem Hintergrund der Kampfhandlungen in der Ukraine bei. Offiziell spricht Helsinki von einer "russischen Bedrohung". Im März führte die NATO unter dem Namen "Steadfast Defender" das größte Manöver seit dem Ende des Kalten Krieges durch, an dem erstmals auch Finnland und Schweden teilgenommen haben. Entlang der gesamten Ostflanke Europas waren 90.000 Militärangehörige beteiligt.
Im Juli organisierte Finnland im Rahmen seiner fortschreitenden Integration in den Militärblock ein weiteres Manöver. Diesmal übten 1.700 Soldaten und 300 Fahrzeuge an der russischen Grenze.
Zwischen 31. August und 6. September sollen in mehreren Regionen des Landes Manöver mit einer Beteiligung von 3.200 Mann und etwa 500 Einheiten an Kriegsgerät durchgeführt werden.
Russlands Außenministerium bewertet dies als eine Provokation. "Wir sehen, dass sich die politische Führung des nordeuropäischen Landes in einem Zustand der tiefen und unprovozierten Russophobie befindet und freiwillig die eigenen nationalen Interessen opfert, indem sie das ehemals gutnachbarliche Finnland in einen Vorposten der militaristischen Bestrebungen der NATO im Baltikum und der Arktis verwandelt", erklärte der stellvertretende Leiter der Abteilung für Information und Druckmedien des russischen Außenamtes Andrei Nastasjin. Als Reaktion wird Moskau die eigenen Kräfte an der Grenze aufstocken.
Helsinki spricht bereits von einer Stationierung von Truppen auf den zuvor entmilitarisierten Ålandinseln. So meint der ehemalige Geheimdienstler Pekka Toveri, dass dies das Reagieren erleichtern und die Sicherheit der Inselbewohner erhöhen werde. Als Beispiel führen die finnischen "Falken" Schweden an, das im Jahr 2005 seine Truppen von der Insel Gotland zurückgezogen und sie im Jahr 2018 wieder dort stationiert hatte.
Ein Nervenspiel
Russlands Verteidigungsministerium hat eine solche Entwicklung vorausgesagt und sich vorbereitet. "Als Finnland noch beabsichtigte, der NATO beizutreten, begann Moskau, die Frage der Stärkung der nordwestlichen Flanke zu bearbeiten. Dabei wurden ein neuer Wehrkreis und einige Militärstützpunkte aufgestellt. Sie sorgen vor allem für Luft- und Raketenverteidigung", erklärte der Militärexperte Alexei Leonkow gegenüber der Nachrichtenagentur RIA Nowosti.
Früher oder später werden alle finnischen Militärstützpunkte der NATO gehören, fügt er hinzu. Im Fall eines globalen Konflikts zwischen der Allianz und Russland werden sie zu einem legitimen militärischen Ziel für Moskau werden. "Die einfachen Finnen werden sich wohl kaum darüber freuen. Doch wer fragt sie schon? Heute sitzen in Helsinki Menschen an der Macht, die nicht die eigenen, sondern die US-amerikanischen Interessen verteidigen", meint Leonkow.
Alexei Arbatow, Leiter des Zentrums für internationale Sicherheit des Instituts für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen der Russischen Akademie der Wissenschaften, erklärt: Es gehe nicht nur um einen Verrat der nationalen Interessen, sondern auch um eine Unterschätzung von Russland. "Die Lage entwickelt sich dynamisch. Ein neuer Wehrkreis wurde aufgestellt, wovor Finnland gewarnt wurde, es aber nicht glaubte. Dabei hat Helsinki praktisch keine eigene Armee, deswegen benötigt es die Hilfe der Verbündeten", sagt er.
Dabei sei es laut Arbatow eine offene Frage, auf wessen Kosten die Versorgung der internationalen Truppen erfolgen werde. Manchmal zahlen die Gastgeber dafür. Und einfache Finnen werden es auch kaum mögen.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei RIA Nowosti am 26. August.
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