Der russische Internet-Unternehmer und Gründer der populären Social-Media-Plattform VKontakte (VK), Pawel Durow, hatte Russland im Jahr 2014 verlassen. Zu diesem Zeitpunkt trat er als Chef des Unternehmens zurück und widmete sich voll und ganz seinem neuen Projekt, der Entwicklung des Messengerdienstes Telegram. Für seine Auswanderung nannte er damals sieben Gründe, die von der Unzufriedenheit mit der Bürokratie, dem Zustand der russischen Gerichte und dem Steuersystem bis zur Wehrpflicht und Bildung reichten.
Mit einem Team aus zwölf seiner besten IT-Spezialisten kam er zunächst nach Berlin, reiste dann in die USA und landete schließlich in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Laufe der Jahre nahm Durow drei zusätzliche Staatsbürgerschaften an – die des Karibik-Staates St. Kitts und Nevis und im Jahre 2021 jene Frankreichs und der VAE.
Nach Ansicht von Experten hätte vor allem die französische Staatsbürgerschaft Durow den Einstieg in den europäischen Markt erleichtern sollen, wo er zunehmend im Bereich der Krypto-Währungen aktiv wurde. Nach Ansicht vieler russischen Medien könnte jedoch der wichtigste Beweggrund für die Erlangung der französischen Staatsbürgerschaft sein Wunsch gewesen sein, ein "echter Europäer" zu werden. Doch am Ende wurde er nur formal ein Europäer, denn in den Augen der Europäer blieb er offenbar ein Russe.
Der Vize-Chef des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew, stand in seiner Funktion als Regierungschef und Präsident in engem Kontakt mit Medienvertretern und Internet-Unternehmern. Auf seinem Telegram-Kanal schilderte er Erinnerungen an die Gespräche mit Durow. Er fragte den VK- und Telegram-Gründer, warum er bei schweren Verbrechen nicht mit den Strafverfolgungsbehörden zusammenarbeiten wolle.
"Das ist meine prinzipielle Haltung", erklärte dieser. Medwedew erwiderte: "Dann werden Sie in jedem Land ernste Probleme haben." Durow meinte jedoch, die größten Probleme habe er in Russland, und verließ das Land. In anderen Staaten erhielt er dann Staatsbürgerschaften oder Aufenthaltsgenehmigungen, so Medwedew. Der Ex-Präsident vermutet: "Er wollte ein brillanter 'Mann von Welt' sein, der auch ohne Heimat gut leben kann. Ubi bene ibi patria! ('Wo es einem gut geht, dort ist die Heimat')".
"Er hat sich verkalkuliert. Für alle unsere gemeinsamen Feinde ist er nun ein Russe – und damit unberechenbar und gefährlich. Von einem anderen Schlag. Sicherlich nicht Musk oder Zuckerberg (der übrigens aktiv mit dem FBI zusammenarbeitet). Durow sollte endlich begreifen, dass das Vaterland, wie die Zeit, nicht wählbar ist."
Auch viele andere Politiker und Medienvertreter haben die Verhaftung Pawel Durows im Pariser Flughafen kommentiert. Der Duma-Abgeordnete und Kenner der französischen Politik Dmitri Puschkow mahnte auf Telegram: "Die liberale Diktatur duldet keine Einzelgänger, die behaupten, frei zu sein, und sich nicht an ihre Regeln halten zu wollen. Elon Musk, mach dich bereit."
Die Verhaftung des Telegram-Gründers Pawel Durow in Frankreich sei eine Fortsetzung der US-Sanktionspolitik. Generell würden die Amerikaner "hinter der Situation" stecken, sagte die Leiterin der Safe Internet League, Ekaterina Mizulina. Sie wies darauf hin, dass in den USA und der EU die Gesetzgebung in Bezug auf soziale Netzwerke "brutal" sei.
Daher sei auch unverständlich, warum Meta-Chef Zuckerberg "bei solchen Gesetzen und aus denselben Gründen bisher nicht hinter Gittern ist, während eine Plattform mit russischen Wurzeln angegriffen wird". Mizulina wies darauf hin, dass die Verhaftung von Durow in Frankreich ein Schlag für das Blockchain-Projekt TON sei, in das "Vertreter großer russischer Unternehmen investiert haben", und betonte, dass das Geschehen als Fortsetzung der US-Sanktionspolitik angesehen werden könne. Sie fügte hinzu: "Er ist unser, ein russisches Genie, und wir müssen bis zum Ende für ihn kämpfen". Solche Gründer wie ihn benötige das Land.
Die Ombudsfrau für Menschenrechte, Tatjana Moskalkowa, bezeichnete die Verhaftung von Pawel Durow als einen Versuch, Telegram zu schließen, als eine Online-Plattform, auf der man "die Wahrheit über die aktuellen Ereignisse in der Welt herausfinden kann". Dies sei offensichtlich. Sie fügte hinzu, dass die Inhaftierung von Durow ein Ausdruck der Doppelmoral in Bezug auf die grundlegenden Menschenrechte sei.
RT-Sperrung auf Telegram
Doch es wäre falsch, in Pawel Durow einen selbstlosen Verfechter der Freiheit im Internet oder einen Kämpfer für die Meinungsfreiheit zu sehen. Darauf wies die RT-Chefin Margarita Simonjan in ihrem Kurzkommentar hin.
"Er hat teilweise mit westlichen Geheimdiensten zusammengearbeitet – zumindest hat er sich strikt an die Anweisung gehalten, RT in den Ländern zu blockieren, die gegen Russland Sanktionen verhängt haben", schrieb sie auf ihrem Telegram-Kanal, jedoch:
"Es half ihm nicht."
Nicht nur sämtliche RT-Kanäle sind in der EU, den USA, in Japan und Australien auf Telegram gesperrt, sondern auch diverse Sputnik-Kanäle. Das schränkt den Informationsaustausch erheblich ein und ist eine schwerwiegende Zensur-Maßnahme, die weltweit Millionen Internet-Nutzer betrifft. Als Pawel Durow mit dem US-Journalisten Tucker Carlson über seine angebliche Unnachgiebigkeit im Kampf für die Meinungsfreiheit sprach, hat er die Sperrung von RT und Sputnik mit keiner Silbe erwähnt. Auch Carlson unterließ es, Durow dafür zur Rede zu stellen.
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