Selenskij will Flüchtlinge zurückholen, um die vom Konflikt stark beschädigte ukrainische Wirtschaft zu stützen und die Truppenstärke aufzufrischen. Doch in vielen Ländern Mittel- und Osteuropas herrscht ein akuter Arbeitskräftemangel. Staaten wie Polen und die Tschechische Republik sind daher nur ungern bereit, diese wertvollen Arbeitskräfte zu verlieren.
Zu Beginn des Konflikts verließen etwa 17 Millionen Ukrainer – mehr als ein Drittel der Bevölkerung – ihre Heimat. Laut Bloomberg sind mehr als 6 Millionen weiterhin im Ausland Flüchtlinge, darunter rund 1,3 Millionen, die bis Ende 2023 nach Russland geflohen waren.
Die Zentralbank der Ukraine prognostiziert, dass in diesem Jahr weitere 400.000 Menschen das Land verlassen werden.
Selenskij versucht, seine Verbündeten davon zu überzeugen, mehr Männer im wehrpflichtigen Alter zurück in die Ukraine zu bringen, um die Reihen der Soldaten aufzufüllen.
Politiker von Polen bis Ungarn haben allerdings erklärt, dass sie keine Flüchtlinge zurückschicken werden, solange der Konflikt andauert. Ein wesentlicher wirtschaftlicher Grund dafür, die Flüchtlinge im eigenen Land zu behalten, ist ebenfalls zu berücksichtigen.
In der Tschechischen Republik haben ukrainische Flüchtlinge laut Bloomberg fast doppelt so viel Steuern gezahlt, wie sie an Sozialleistungen erhalten haben. Ohne ukrainische Arbeitskräfte, besonders im Bauwesen, könnte die Industrie zum Stillstand kommen.
Lidija Wasilewska, die vor über zwei Jahren aus Kiew nach Prag geflohen war und nun als Projektmanagerin für eine NGO tätig ist, steht vor einem wirtschaftlichen Dilemma. Ihre Entscheidung, mit ihren beiden Töchtern und Haustieren nach Prag zu ziehen, bringt sie in Konflikt mit Selenskijs Regierung. Der ukrainische Präsident fordert die Rückkehr der Flüchtlinge, um die vom Krieg zerstörte Wirtschaft am Laufen zu halten, während viele europäische Länder, die unter Arbeitskräftemangel leiden, ihre ukrainischen Flüchtlinge nicht zurückgeben wollen.
Seit Selenskij in seiner Neujahrsansprache die aus dem Land geflohenen Menschen aufforderte, sich zu entscheiden, ob sie Opfer oder Gewinner sein wollen, wächst der Druck auf die Flüchtlinge. Diese Botschaft vermittelt ihnen das Gefühl, sie hätten nicht nur ihr Land verlassen, sondern es auch im Stich gelassen.
In Polen und der Tschechischen Republik sind ukrainische Flüchtlinge nicht nur als Arbeitskräfte, sondern auch als bedeutende wirtschaftliche Stütze anerkannt. Ihre Integration in den Arbeitsmarkt erfolgt schneller als erwartet, und ihre Arbeit trägt erheblich zum Bruttoinlandsprodukt bei. Dennoch bleibt offen, wie sich die Rekrutierung im weiteren Verlauf des Krieges entwickeln und welche Auswirkungen dies auf die Moral der Flüchtlinge haben wird.
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